Vom Balletttänzer zum OB: Peter Boch weist eine bunte Vita auf. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Anika von Greve-Dierfeld

Pforzheim - Schock. Kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Oberbürgermeisterwahl in Pforzheim ist Amtsinhaber Gert Hager (SPD) am Sonntagabend anzusehen, wie sehr ihn seine Abwahl trifft. Nicht nur wird er nicht wiedergewählt, sondern erstmals in der Geschichte Pforzheims nimmt bald ein CDU-Mann auf dem Chefsessel des Rathauses Platz. Peter Boch, gerade einmal 37 Jahre alt, bekommt mit 51,5 Prozent der Stimmen gleich im ersten Anlauf die absolute Mehrheit und deklassiert damit Hager (40,8) um rund zehn Prozent.

Frisch und unverbraucht startet der bisherige Bürgermeister von Epfendorf (Kreis Rottweil) Mitte Februar in den Wahlkampf, nimmt dafür seinen gesamten Jahresurlaub und tourt unablässig von Termin zu Termin. Dass er sofort punkten kann - Uwe Mei wundert das überhaupt nicht.

Mei, seit sechs Jahren Bochs Stellvertreter im Epfendorfer Rathaus, hat nichts als Lob für seinen Chef. „Er hat die Gabe, Menschen mitzureißen und zu begeistern. Er geht immer voraus, ist stets motiviert, kann sehr gut mit Behörden umgehen und seine Ideen super einbringen.“ In der Gemeinde Epfendorf habe Boch unter anderem den Riesenumbau des Rathauses „zack, zack“ umgesetzt; ein großes Gewerbegebiet erschließen lassen und damit die Weichen für die Zukunft der Gemeinde gestellt. Jetzt müssen sie ihn, der seit 2011 im Amt des Bürgermeisters war, vorzeitig ziehen lassen - mit Wehmut, aber ohne Groll, wie Mei sagt: „Eine solche Chance konnte er sich nicht entgehen lassen.“

Die Pforzheimer SPD-Fraktion klingt am Tag nach der Wahl ähnlich entgeistert wie Hager am Wahltag selbst. „Diese Wahlschlappe haben wir nicht erwartet“, sagt SPD-Gemeinderat Jens Kück. „Gespürt haben wir im Vorfeld aber schon, dass es nicht so gut laufen könnte“, räumt er zugleich ein. Rund 7000 Hausbesuche hat Amtsinhaber Hager im Wahlkampf absolviert und stets auf seine Erfolge verwiesen: Einen Masterplan hatte er gleich zu Beginn seiner Amtszeit aufgelegt und die Prioritäten darin von den Bürgern setzen lassen.

Unter seiner Ägide gelang es der Kommune, riesige Verluste nach riskanten Finanzgeschäften abzumildern und einen großen Teil des Geldes von den beteiligten Banken zurückzubekommen. Zudem seien rund 10 000 Arbeitsplätze, unter anderem durch die Ansiedlung von Amazon, in den Jahren von Hagers Amtszeit entstanden, erklärt Kück.

Umsonst. „Wir haben den Eindruck, dass die Bürger das gar nicht auf dem Schirm hatten“, sagt Kück, der seit 33 Jahren für die SPD im Gemeinderat sitzt. „Die Dutzende von Leistungen, die Hager für das Volk erbracht hat, wurden schlicht nicht wahrgenommen.“ Hager habe die Zeche zahlen müssen für die Versäumnisse seiner Vorgängerin. „Er war ständig mit Aufräumarbeiten beschäftigt“ - und musste sich zudem innerhalb eines sehr heterogenen Stadtparlaments mit teilweise bis zu zwölf Gruppierungen seine Mehrheiten zimmern. „Dafür haben ihn alle bewundert“, sagt Kück. Nur die Wähler anscheinend nicht.

„Sehr offene Persönlichkeit“

Die fühlten sich von der unverkrampften Art Bochs offenbar angezogen. Der 37 Jahre alte Vater von drei Kindern, Ex-Balletttänzer und Ex-Polizist - zeitweise Personenschützer der früheren CDU-Ministerpräsidenten Günther Oettinger und Stefan Mappus - scheint ein Händchen für den Umgang mit Menschen zu haben. „Seine Persönlichkeit ist sehr offen, er kann gut auf Menschen zugehen und er ist sehr fleißig“, lobt ihn Florentin Goldmann, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Pforzheimer Gemeinderat. Wermutstropfen: Die geringe Wahlbeteiligung von 38,6 Prozent.

Neben der FDP unterstütze auch die AfD Boch - jene Partei, die bei den Landtagswahlen im März vergangenen Jahres in Pforzheim über 24 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und das Direktmandat holen konnte. „Das Modell CDU-AfD hat gezogen“, ärgert sich Kück. Das werde zu diskutieren sein. Goldmann findet an der bloßen Unterstützung durch die AfD nichts Anrüchiges. „Herr Boch hat immer erklärt, dass er sich mit allen demokratisch gewählten Parteien unterhalten wird.“ Außerdem habe er keinen Zweifel daran gelassen, dass er die landes- und bundespolitischen Ziele der rechtspopulistischen Partei nicht teile.

Goldmann sieht den Fehler bei Hager selbst. „Vielleicht war dessen Slogan ‚Weitermachen‘ nicht unbedingt der richtige“, sagt er. Auf diese Steilvorlage habe Boch eben angemessen geantwortet: „Mit seinem Wahlspruch ‚Aufbruch statt weiter so!‘“.