Zahnärzte können schmerzlich fehlen. In manchen ländlichen Gebieten ist es schon so weit. Foto: dpa Foto: dpa - dpa

Von Anika von Greve-Dierfeld

Heidelberg - Er ist putzig und den Deutschen so vertraut. In vielen Kinderbüchern streckt der Feldhamster seine kleine Nase mit den langen Schnurrhaaren ins Bild, streunt durch Weizenfelder und packt einen dicken Vorrat von Weizenkörnern für den Winter in seinen Bau. Aber der kleine Nager stirbt in Deutschland aus - und zwar als nächstes in Baden-Württemberg, befürchten Forscher der Deutschen Wildtier-Stiftung und andere Experten. „Es ist kurz vor Ultimo“, sagt der Biologe Peer Cyriacks. An diesem Wochenende treffen sich 90 Feldhamster-Forscher aus aller Welt in Heidelberg.

Die Zahl der verbliebenen Hamster im Südwesten schätzt er auf unter 100; bundesweit sollen es nicht mal mehr 100 000 dieser Tiere sein. Ungeachtet bestehender Aufzuchtprogramme und Schutzmaßnahmen - „es gibt bald keine Feldhamster mehr“, sagt Cyriacks. In Nordrhein-Westfalen seien sie zuletzt ausgestorben. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gibt es nach Zahlen des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) aus dem Jahr 2012 längst keine Exemplare mehr.

„Die Tendenz ist einfach sehr negativ“, sagt auch Artenschutz-Expertin Ruth Petermann vom BfN. Aktuelle Zahlen aus dem laufenden Jahr gebe es zwar nicht, die Situation sei aber dramatisch. Seit vielen Jahren gehe sowohl die Verbreitung wie auch die Population stetig zurück. „Wir sehen, dass dringend etwas getan werden muss.“

Der putzige Nager steht seit Jahren auf der Roten Liste bedrohter Tierarten. Dabei galt es bis in die 80er-Jahre hinein als massiver Schädling in der Landwirtschaft und wurde verfolgt und gejagt.

Mit der intensiven Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen begann der drastische Rückgang der Lebensräume und damit der Bestandszahlen: von Millionen Feldhamstern auf unter 100 000. Sogar zum „Tier des Jahres 2016“ wurde er gekürt - vergebens. Die Zahlen gehen weiter zurück.

„In Deutschland machen alle die Augen zu“, moniert Cyriacks. „Alle Bundesländer wissen seit langem, dass es dem Feldhamster schlecht geht.“ Baden-Württemberg unternehme jedenfalls „erhebliche Anstrengungen“, um die Feldhamsterpopulation zu erhalten, widerspricht ein Sprecher des Umweltministeriums in Stuttgart; auch andere Länder haben längst Schutzprogramme aufgelegt. Der Erfolg ist bislang bescheiden.

Notwendig seien deutlich mehr Anstrengungen, vor allem in Zusammenarbeit mit Landwirten, betonen Umweltschützer: „Später Getreide ernten oder Getreidestreifen ganz stehen lassen, damit das Tier Deckung findet“, sagt Cyriacks. Normalerweise werde die Ernte im Juni oder Juli eingefahren. „Dann stehen die Felder drei Monate leer, bis der Feldhamster in Winterschlaf geht - was soll er solange fressen, wo sich verstecken?“

„Sein eigener Lebensraum ist gleichzeitig sein Problem“, erklärt Petermann. „Für Seeadler kann man Schutzgebiete ausweisen. Für den Feldhamster nicht.“ Er lebe nun mal in Kornfeldern, und die würden gebraucht und durch intensive Landwirtschaft genutzt. Außerdem sei er ein klassisches Beutetier - „das macht seine Rettung nicht gerade einfacher“.

Auerhahn, Feldhase, Feldlerche, Rehe, Hamster - solche Tiere sind im Heimatgedächtnis verankert, in Bilderbüchern, auf Gemälden, in der Literatur. „Wenn es so ein Tier dann nicht mehr gibt, ist das auch ein kultureller Verlust“, meint Jochen Goedecke, Landwirtschaftreferent beim Naturschutzbund im Land. Es lohne sich auf jeden Fall, sich um die Lebensräume des Nagers zu bemühen, „das sind auch die vieler anderer Pflanzen und Tiere“. Aufgeben ist also keine Option, aber für den Feldhamster sieht Goedecke eher schwarz. „Es gibt kaum noch Hoffnung.“