Stuttgart (lsw) - Gymnasien mit neunjähriger Schulzeit wird es nach Angaben der Landesregierung auch auf lange Sicht geben.

Zwar bleibe die achtjährige Schule (G8) Regelform des Gymnasiums in Baden-Württemberg, aber die G9-Standorte würden abgesichert, sagte die neue Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) gestern in Stuttgart. Derzeit bieten 44 der 378 öffentlichen Gymnasien in Baden-Württemberg die Möglichkeit zum neunjährigen Weg an. Die G9-Modellschulen waren unter Grün-Rot auf Druck der SPD eingeführt worden. Die Partei wundert sich nun, dass die neue CDU-Ministerin daran festhält und eine Wahlfreiheit an jedem Schulstandort ablehnt.

Kritik an Wahlfreiheit

Die CDU hatte sich im Wahlkampf dafür ausgesprochen, dass die Gymnasien selbst über G8 oder G9 entscheiden sollen. Im Laufe der Koalitionsgespräche mit den Grünen nahmen die Christdemokraten aber Abstand von der Forderung. Die CDU-Politikerin Eisenmann sieht die einstige Haltung ihrer Partei im Rückblick durchaus kritisch, sie ist hier gegen flexible Lösungen. „Ich muss ehrlich sagen, Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 an einem Standort hätte ich nicht befürwortet, weil es für die kommunalen Schulträger schwierig wird, diese umzusetzen“, sagte sie mit Blick auf Klassenräume und Klassengrößen.

Die CDU-Ministerin setze mit dieser Linie sozialdemokratische Bildungspolitik fort, sagte gestern der Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Fulst-Blei.

Von einem „Fehlstart“ der Kultusministerin und „Wahlbetrug“ der CDU spricht indes Cord Santelmann vom Philologenverband. Dass Eisenmann die Wahlfreiheit nach eigenem Bekunden nie befürwortet habe, erkläre den mangelnden Verhandlungserfolg der CDU. „Das ist ein Armutszeugnis für die bildungspolitische Kompetenz der CDU“, sagte Santelmann. Er hatte im April eine Online-Petition für die Wahlfreiheit gestartet, die bislang gut 8000 Unterstützer fand. Viele G9-Gymnasien platzen ihm zufolge wegen der großen Nachfrage aus allen Nähten.

Eisenmann vertritt die Position, dass die überwiegende Mehrheit der Mütter und Väter inzwischen den G8-Weg akzeptiere, wie die bisherige Stuttgarter Schulbürgermeisterin sagte. Zugleich äußerte sie aber mit Blick auf Forderungen nach G9 Verständnis, „dass Eltern gerade in der Pubertät ihrer Kinder mehr Zeit lieber wäre“. Eisenmann war auch Vorsitzende im Bildungsausschuss des Städtetags.

Unklar ist noch, wie der Bestandsschutz der 44 als Schulversuch geltenden G9-Gymnasien umgesetzt wird. Modellversuche sind per Definition begrenzt. Vor diesem Hintergrund lässt der grün-schwarze Koalitionsvertrag Interpretationsspielraum zu. Dort heißt es: „An den 44 G9-Modellschulen wollen wir den Schulversuch unverändert weiterführen.“ Bliebe es aber bei dem Versuch, hätte die erste Tranche der G9-Gymnasien letztmalig 2017/2018 Fünftklässler aufnehmem können, die zweite Tranche 2018/2019. Nun machte Eisenmann aber klar, dass ein Ende des G9-Weges keineswegs in Sicht sei und auch nicht angepeilt werde.

Elternbeirat erleichtert

Der Landeselternbeirat (LEB) äußerte sich erleichtert, dass G9 auch über die Zeit des Schulversuchs hinaus bestehen bleiben soll. „Alles andere wäre politischer Selbstmord“, sagte LEB-Chef Carsten Rees. Er hält ein flexibles Kurssystem für wünschenswert. „So könnten die Schüler das Abitur im eigenen Takt nach acht, achteinhalb oder neun Jahren ablegen.“

Die Lehrergewerkschaft GEW begrüßt, dass G9 nicht weiter ausgebaut wird. Die Einführung eines flächendeckenden G9 entzieht nach Angaben der GEW anderen Schularten starke Schüler. Die würden aber etwas an der Gemeinschaftsschule dringend benötigt, um auch dort den Weg zur Hochschulreife anzubieten.