Susanne Eisenmann Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Julia Giertz und Bettina Grachtrup

Stuttgart - Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will den Lehrermangel unter anderem mit einem späteren Start der ersten Fremdsprache an den Grundschulen bekämpfen.

„Ich kann mir vorstellen, dass wir die Fremdsprachen in der Grundschule erst ab Klasse drei beginnen lassen und dadurch rund 630 Deputate gewinnen“, sagte sie in Stuttgart. Diese sollen in den Grundschulen als „Poolstunden“ zur Stärkung von Lesen, Schreiben und Rechnen belassen werden. Bislang beginnen die Schüler anders als in vielen anderen Bundesländern in der ersten Klasse, Englisch und entlang des Rheins Französisch zu lernen. Grundschulen sind die einzige Schulart, die nicht über Poolstunden verfügt, in denen Lehrer flexibel auf Stärken und Schwächen der Schüler eingehen.

GEW-Landeschefin Doro Moritz reagierte verärgert. Es könne nicht sein, dass der klar vorhandene Lehrerbedarf an Grundschulen nur über Streichungen des Unterrichtsangebots gedeckt werden könne. Es müssten zusätzliche Stellen her. Moritz erinnerte daran, dass es die damalige CDU-Landeskultusministerin Annette Schavan war, die den Fremdsprachenunterricht an Grundschulen einführte. „Das Argument war, dass Kinder sehr früh sehr unbefangen mit der Fremdsprache umgehen.“ Der SPD-Schulexperte im Landtag, Daniel Born, kritisierte: „Anstatt den Fremdsprachenerwerb pädagogisch weiterzuentwickeln, haut die Kultusministerin mit der Sparaxt dazwischen.“ Born fürchtete „weitere aktionistische Umschichtungen“ von Stellen. Der Ministerin stehe bei der Unterrichtsversorgung das Wasser bis zum Hals.

Der FDP-Bildungsexperte im Landtag, Timm Kern, stellte sich hingegen auf die Seite der CDU-Ministerin. Zwar habe seine Partei den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule stets befürwortet und damals die Einführung mitgetragen. Aber sowohl der Lehrermangel als auch die Schwerpunktsetzung im Bereich Deutsch und Mathe an den Grundschulen seien gewichtige Gründe für Eisenmanns Entscheidung.

Der Arbeitgeberverband sprach von einem „richtigen Schritt in Richtung mehr Effizienz“. Die Einführung von Englisch in der Grundschule habe nicht alle Erwartungen erfüllt. Auch der Verband Bildung und Erziehung trägt Eisenmanns Plan mit - unter der Voraussetzung, dass die frei werdenden Deputate den Grundschulen wirklich zur Stärkung von Lesen, Schreiben und Rechnen erhalten bleiben.

Der grüne Koalitionspartner signalisierte Beratungsbedarf. „An den Grundschulen werden die Grundlagen für den Bildungserfolg gelegt. Dafür brauchen die Grundschulen selbst eine solide Grundlage: gut ausgebildete und hoch motivierte Lehrer in ausreichender Zahl“, sagte Bildungsexpertin Sandra Boser.

Qualitätsprobleme offenkundig

Die Grünen erwarteten von Eisenmann einen Maßnahmenplan zur Absicherung der Unterrichtsversorgung so rechtzeitig vor der Sommerpause, dass die Fraktionen darüber gemeinsam mit ihr beraten und geeignete Maßnahmen definieren könnten.

In jüngsten Studien waren Qualitätsprobleme beim Unterricht in Baden-Württemberg offenkundig geworden. Zudem droht infolge einer Pensionierungswelle eine Lücke bei den Lehrern. „Wir sind bei der Versorgung mit Pflichtunterricht auf Kante genäht“, räumte Eisenmann ein. Der Landeselternbeirat spricht von den schlimmsten Ausfällen von Unterricht seit zehn Jahren. Eisenmann erklärte, sie verstehe die Sorgen der Eltern, wenn punktuell Unterricht ausfalle. „Man muss da aber auch keine überzogenen Horrorszenarien an die Wand malen.“ Zwar sei zum laufenden Schuljahr mit 6600 die höchste Zahl von Stellen zu besetzen gewesen, doch es mangele an Bewerbern. Betroffen sind die kleinen Grundschulen auf dem Land, die Fächer Mathematik und Physik sowie die Sonderpädagogik. Derzeit fehlten 1700 Lehrer. „Das heißt aber nicht, dass 1700 Klassen ohne Lehrer dastehen.“ Die Lücke werde etwa durch Mehrarbeit, Vertretungen und aus der Elternzeit vorzeitig zurückkehrende Pädagogen geschlossen.

Von einer Zusammenlegung kleiner Grundschulen will Eisenmann die Finger lassen. Wenn Kommunen damit liebäugelten, sollten sie beraten werden. An den 2400 Grundschulen im Land werde das Prinzip „Kurze Beine, kurze Wege“ bestehen bleiben. Die Verhandlungen für den Landesetat 2018/19 will Eisenmann nutzen, um den geplanten Abbau von Lehrerstellen bis 2020 zu diskutieren. Nach Ministeriumsangaben werden von diesem Jahr bis 2020 rund 1300 Stellen gestrichen.