Von Hermann Neu

Stuttgart - Der Druck auf die grün-rote Landesregierung wegen des von Kultusministerin Susanne Eisenmann verkündeten Stopps zentraler schulpolitischer Vorgaben hält an. Der Landtag wird sich am kommenden Mittwoch auf Antrag der SPD in einer Aktuellen Debatte mit dem Thema beschäftigen.

Eisenmann hatte angekündigt, wegen Mangels an fast 500 Lehrerstellen solle der Ausbau der Ganztagsschulen und der Inklusion behinderter Schüler an den Regelschulen ausgesetzt werden. Zudem soll die Einführung des Fachs Informatik ab Klasse 7 der allgemeinbildenden Schulen nicht wie geplant umgesetzt werden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den Koalitionsausschuss von Grünen und CDU für kommenden Dienstag einberufen.

Der Fraktionschef der SPD und frühere Kultusminister Andreas Stoch erklärte, nach wie vor steigende Schülerzahlen ließen keinerlei Personalabbau zu. Die grün-schwarze Landesregierung müsse ihre Pläne für massive Kürzungen bei den Lehrerstellen stoppen. „Zynisch“ nannte Stoch das Agieren der Grünen. Man könne nicht zentrale bildungspolitische Reformen wie die Stärkung von Ganztagsschulen und Inklusion sowie die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsschulen weiter ins Schaufenster stellen, aber für die Umsetzung der Maßnahmen wie auch für die Sicherung der Unterrichtsversorgung nicht die nötigen Mittel bereitstellen. Es sei deshalb „schon frech, den Ball zur Kultusministerin hinüber zu spielen und sie bei den geforderten Einsparungen vor die Wahl zwischen Pest und Cholera zu stellen“. Aber auch Eisenmann bekleckere sich bei ihrem „Akt der Hilflosigkeit“ nicht mit Ruhm. Offenbar habe sie „viel zu spät Alarm geschlagen und sich dann in der Regierung nicht durchsetzen können“, nicht zuletzt auch „wegen mangelnder Unterstützung aus den eigenen Reihen“. Die SPD habe Kretschmann bereits in der vorhergegangenen grün-roten Regierung abgerungen, bei den Lehrerstellen im Lichte der aktuellen Schülerzahlen jeweils zum neuen Schuljahr zu entscheiden.

Der Landeselternbeirat nannte die Einsparpläne den falschen Weg. „Schon jetzt ist der Pflichtunterricht in bisher unbekanntem Ausmaß nicht sichergestellt“, teilte Vorsitzender Carsten Rees mit. Sollte der Ausbau der Ganztagsschule gestoppt werden, sei dies ein Schlag ins Gesicht vieler Schulgemeinschaften, die sich bereits auf den Weg gemacht hätten.

Auch das Bundesnetzwerk „Gemeinsam leben - gemeinsam lernen“ übte Kritik und erklärte, es verfolge die Entwicklung im Land „mit Sorge und Entsetzen“. Eisenmanns Ankündigung, die Inklusion im nächsten Schuljahr nicht mehr umzusetzen, „weil sie bei den Haushaltsverhandlungen in der Koalition angeblich nicht genug Geld rausschlagen konnte“, sei „absurd“. Offenbar habe die Ministerin „und vielleicht die gesamte grün-schwarze Regierung noch nicht verstanden, dass Inklusion ein Menschenrecht ist“. Die Bundesrepublik habe vor mehr als sieben Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Die Schaffung eines inklusiven Schulsystems sei also „eine völkerrechtliche Verpflichtung“, die die Landesregierung in eigener Pflicht erfüllen müsse.