Winfried Kretschmann Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Stuttgart (lsw) - Bislang ist es ein einmaliges Projekt: Etwa 1000 IS-Opfer sind über ein einmaliges Sonderkontingent nach Baden-Württemberg gekommen. Aber wie kann den verbliebenen Opfern im Nordirak noch geholfen werden?

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will bei seinen Länderkollegen für die Aufnahme von notleidenden Frauen und Kindern aus dem Nordirak werben. Er werde das Thema bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz ansprechen, sagte Kretschmann gestern in Stuttgart. Baden-Württemberg selbst hat ungefähr 1000 missbrauchte Frauen und Mädchen aufgenommen, die Opfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geworden sind.

Bislang hätten sich nur Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit kleinen Kontingenten beteiligt. Im Nordirak warteten aber noch etwa 3200 Frauen und Kinder auf dringend benötigte Hilfe. Es müsse möglich sein, diese Menschen zusätzlich in Deutschland aufzunehmen, um deren schlimmes Schicksal abzumildern, sagte der Ministerpräsident.

Unterstützung für Studenten

Baden-Württemberg will mit der Universität Dohuk ein Institut für Psychotherapie im Nordirak aufbauen, um traumatisierten Menschen vor Ort helfen zu können. Dazu stellt das Land Baden-Württemberg zunächst eine Million Euro für das Institut bereit. Hinzu kommen rund 320 000 Euro, die in Form von Stipendien an Studenten vergeben werden.

Die ersten 30 Studenten sollen Anfang 2017 mit der dreijährigen Ausbildung im Rahmen eines Masterstudiengangs beginnen. Die Studenten sollen sowohl in Dohuk als auch in Baden-Württemberg lernen. Fachkräfte aus Deutschland sollen in Dohuk arbeiten und dort Studenten ausbilden. Am Aufbau des Studiengangs sind die Universität Tübingen und die Duale Hochschule Baden-Württemberg beteiligt. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) sagte: „Wir wissen, dass die weit verbreitete Traumatisierung zu langfristig schweren Folgen führt.“ Das Leid dürfe aber nicht zu einem lang wirkenden Gift werden.

Erst einmal zur Ruhe kommen

Baden-Württemberg hat für das Sonderkontingent zur Aufnahme von etwa 1000 Frauen und Kindern über drei Jahre eine Summe von 95 Millionen Euro veranschlagt. Kretschmann sagte, die tatsächlichen Kosten lägen bislang deutlich unter diesem Ansatz. Nach den Worten von Staatskanzleichef Klaus-Peter Murawski haben die meisten eingereisten Frauen eine individuelle Traumatherapie bislang abgelehnt. Für sie stehe erst einmal im Vordergrund, zur Ruhe zu kommen.

Eine der Frauen, die in Baden-Württemberg Zuflucht gefunden haben, ist die 23 Jahre alte Jesidin Nadia Murad. Sie wurde am Freitag in New York zur Sonderbotschafterin für Opfer des Menschenhandels ernannt. Die Menschenrechtsanwältin Amal Clooney will Murads Anliegen vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen und erreichen, dass die Verbrechen an den Jesidinnen als Völkermord anerkannt und die Täter verurteilt werden. Die Jesiden sind eine religiöse Minderheit, die vor allem im Norden des Iraks lebte, bis die Terrormiliz IS die Region Anfang August 2014 überrannte.