Eine Wespe auf dem Marmeladenbrot - ein bekanntes Ärgernis. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Susanne Kupke

Karlsruhe - Eine Gartenparty ist auch für Wespen ein Fest: Kaum sind Zwetschgenkuchen oder Grillsteaks auf dem Tisch, kommen sie geflogen. Erst eine, dann zwei und schließlich immer mehr. So ist das im Sommer. Normalerweise zumindest. Dieses Jahr schwirren vielerorts deutlich weniger der schwarz-gelb gestreiften Insekten herum. Genaue Zahlen gibt es zwar nicht. Doch Experten bestätigen den Eindruck vom Kaffeetisch im Freien: Der nasskalte Frühling hat bei Wespen Spuren hinterlassen und ihre Zahl in manchen Regionen deutlich reduziert.

Ein Grund zur Freude? Weit gefehlt, betonen Biologen und Naturschützer. Denn ganz ohne Wespen geht es nicht. Die Tiere sind viel besser als ihr Ruf. Nicht nur, dass sie - wie die weit besser gelittenen Bienen-Kolleginnen - fleißig als Bestäuber aktiv sind. „Wespen vertilgen auch ohne Ende Schadinsekten“, sagt Astrid Grauel von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW). Stechmücken, Fliegen, Blattläuse, Raupen oder Käferlarven zum Beispiel.

Als Schädlingsvertilger leisten sie dem Naturschutzbund Nabu zufolge Landwirten und Gartenbesitzern große Dienste. LUBW-Expertin Grauel sieht sie sogar als eine Art „Gesundheitspolizei“, weil Wespen nicht nur frisches Grillfleisch, sondern auch Aas an ihre Brut verfüttern.

Nach Meinung von Manfred Verhaagh, Kurator für Hautflügler beim Naturkundemuseum Karlsruhe sollte man Wespen und andere Insekten ohnehin nicht nur in Hinblick auf die vermeintliche Nützlichkeit für den Menschen bewerten. Er ist fasziniert vom Super-Organismus Wespenstaat. So sind die Tiere grandiose Baumeister: Sie errichten ihre Nester aus Holzfasern in „Leichtbauweise“, stabil und gut isoliert gegen Kälte und Hitze.

Entfernung von der Natur

„Die Betrachtung nach dem Nützlichkeitsaspekt ist schwierig“, sagt der Biologe. Zumal man die Nützlichkeit erst erkennt, wenn die Tiere nicht mehr da sind. Der Wissenschaftler nennt das Beispiel China: „Dort muss man Obstbäume von Hand bestäuben, weil die Bestäuber fehlen.“

Die Wespen sind für ihn nicht das Problem. „Die Leute können nicht mehr mit Natur umgehen.“ Wespen, so betont er, sind ein wichtiger Teil des Ökosystems. Nicht nur, dass sie länger als die Menschen auf dieser Welt sind. Wenn Städter jede Wespe, Schabe oder Ameise vernichten wollen, dann entfernen sie sich aus seiner Sicht immer mehr von ihren natürlichen Grundlagen.

Sorgen bereitet Wissenschaftlern der insgesamt „eklatante Insektenschwund“ - unter anderem wegen intensiver Landwirtschaft. Die dabei verwendeten Pflanzenschutzmittel machen sie nicht nur für den Schwund von Bienen und Schmetterlingen verantwortlich.

Den Wespen hat dieses Jahr zusätzlich das nasse Frühjahr zu schaffen gemacht. Wo es viel regnete, sind nach Beobachtung von Nabu-Artenschutzexperte Martin Klatt viele Nester im Erdboden regelrecht „abgesoffen“. In Nordbaden etwa sind deutlich weniger Wespen und Hornissen als sonst unterwegs. Eine Beobachtung, die auch die Wespenberaterinnen der Landratsämter Tübingen und Ludwigsburg, Marion Kaspar und Birgit Fuggmann, gemacht haben.

Eine Wespen-Zählung gibt es zwar nicht. Doch schon anhand ausbleibender Anfragen besorgter Bürger lässt sich der Schwund ablesen: „Es gibt weniger Anrufe“, sagt Expertin Fuggmann wie auch ihre ehrenamtliche Berater-Kollegin Kaspar. „Wenn es viel regnet, sind insgesamt weniger Insekten unterwegs, die als Nahrung für Wespen dienen.“ So manche Königin habe wohl deshalb den Nestbau abbrechen müssen. Auch steigt das Risiko verschimmelter Nester.

Ob es viele oder wenige Wespen gibt, ist allerdings regional sehr unterschiedlich: „Gemessen an der Anzahl der in diesem Sommer eingegangen Anfragen muss ich feststellen, dass 2016 durchaus ein eher gutes Wespenjahr ist“, sagt etwa Robert Ripberger, Wespenberater im Ostalbkreis und Rems-Murr-Kreis. Nach seiner Beobachtung hängt das mit dem guten „Waldhonigjahr“ zusammen: Königinnen seien in der Nestgründungsphase dann sehr gut mit Kohlenhydraten in Form von Honigtau versorgt.

Ripberger hat bei sich „eher mehr als weniger Nester“ gesichtet. Nach Angaben des Nabu gibt es etwa 700 Wespenarten im deutschsprachigen Raum, die meist ganz unauffällig unter uns leben - und ganz zu Unrecht gejagt werden.