Stuttgart (lsw) - Die Landesvorsitzende der Frauen Union, Inge Gräßle, hat Parteifreundinnen aufgerufen, sich sexistische Übergriffe von Parteikollegen nicht gefallen zu lassen.

„Ich rate allen Betroffenen: Wehrt Euch und werdet laut - dann ist es vorbei“, sagte die langjährige CDU-Europaabgeordnete der dpa in Stuttgart. Im Rückblick auf ihre 40 Jahre Parteizugehörigkeit sagte sie: „Es ist inzwischen besser geworden, weil die Gesellschaft Sexismus thematisiert.“

Sie selbst habe als junge Frau - Gräßle ist sei ihrem 14. Lebenjahr CDU-Mitglied - Anfassen, Anreden, schräge Sprüche, Nachstellungen erlebt. Einmal habe sie sich in einem Hotelflur tätlich gegen einen Annäherungsversuch eines Kollegen wehren müssen. „Damals hätte ich ein Buch schreiben können“, resümierte die 55-jährige Christdemokratin aus Heidenheim. „Aber die Selbstverständlichkeit, mit der Männer einem vor 30 Jahren an den Busen fassten, gibt es heute nicht mehr.“

Es seien immer die gleichen Parteifreunde, die Grenzen überschritten. Um solche Kollegen müsse man einen Bogen machen. Im Blick auf abendliche Dämmerschoppen mit Kollegen empfahl sie: „Rechtzeitig gehen hilft in jedem Fall.“

Beleidigungen wie die gegen die junge Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends bestürzten sie, weil dabei die Frauen in der Politik in erster Linie als potenzielle Sexualpartnerinnen und nicht als Partner in der Politik gesehen würden - ein Phänomen, das auch im Journalismus, in Vereinen oder Betrieben vorkomme. Behrends hatte am vergangenen Freitag in einem offenen Brief Sexismus-Vorwürfe gegen ihre Partei erhoben und damit eine Debatte über Sexismus in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angestoßen.

Das Thema spiele auch eine große Rolle zwischen den Europa-Abgeordneten und ihren Assistentinnen. Dies sei umso schlimmer, da die Frauen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Parlamentariern stünden. Gräßle lobte die jüngste Reform des Sexualstrafrechts, in dem das Prinzip „Nein heißt Nein“ festgeschrieben ist.