Der Angeklagte gestern im Gerichtssaal in Ravensburg. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Hermann Neu

Stuttgart - Die „genialste Erfindung der vergangenen 200 Jahre“, so Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) feiert Geburtstag und der Südwesten feiert mit. 2017 jährt sich, dass Karl Drais sein Laufrad und damit den Vorläufer des Fahrrads erfunden hat. Das hölzerne Gefährt ist buchstäblich entstanden aus der Not: Nach dem verheerenden Ausbruch des Vulkans Tambora im heutigen Indonesien im April 1815 ging in Europa das Jahr 1816 als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein. Das Getreide verfaulte mangels Sonne im Dauerregen auf dem Halm. Eine Missernte ließ Mensch und Tier leiden.

Mit eine Folge: Pferde als Reit- und Zugtiere verhungerten ohne Heu und Hafer oder sie wurden geschlachtet - was die bis dahin gewohnte Mobilität von Reitern und Reisenden in Kutschen nachhaltig bremste. Drais, in Karlsruhe geboren, entwickelte in Mannheim als Ersatz-Fortbewegungsmittel sein zweirädriges Laufrad. Es ist der Urahn des heutigen Fahrrads mit Kurbelantrieb. Dessen Erfolgsgeschichte hält an. Die Stückzahl der Räder weltweit übertrifft klar die der Autos und das Fahrrad ist „das meistgebaute und -genutzte Fortbewegungsmittel“, wie Rad-Enthusiast Hermann anmerkt.

Relevanter Wirtschaftsfaktor

Lange streng mechanisch, ist das Fahrrad inzwischen auch in die elektrische und elektronische Zukunft aufgebrochen. Batterie-Unterstützung wie beim Pedelec sowie digitale Vernetzung sind Stichworte dafür, dass das Fahrrad noch reichlich Zukunft vor sich hat.

Inzwischen ist es auch im Land wieder zum ernst zu nehmenden Wirtschaftsfaktor geworden: Der Traditionskonzern Bosch etwa baut Elektroantriebe für Pedelecs, langjährige Hersteller von Fahrradkomponenten wie Magura haben ihren Sitz im Südwesten. Hermann spricht daher von einer „durchaus relevanten Industrie“. Der Minister selbst hat ein Fahrrad, das zu 80 Prozent mit Bauteilen aus dem Land hergestellt ist.

Rund ums Fahrrad kommt das Verkehrsministerium für das Land auf eine Wertschöpfung von 730 Millionen Euro im Jahr, davon 300 Millionen aus der Herstellung von Komponenten. Rechnet man den Dienstleistungsanteil des zunehmenden Radtourismus hinzu, dann sind es 2,1 Milliarden im Jahr. Als Keimzelle der auto-mobilen Fortbewegung auf zwei Rädern plant der Südwesten zum 200-Jahres-Jubiläum für 2017 eine Vielzahl an Veranstaltungen und Aktionen. Selbst für die traditionelle Stallwächterparty des Landes im sommerlichen Berlin sind Aktionen angesetzt, etwa Touren per Fahrrad vom Brandenburger Tor bis zur Landesvertretung.

Augenfälligste Aktion im Südwesten wird wohl die „Jubiläumstour. Die nachhaltigste Roadshow der Welt“ von Mai bis August. Ausschließlich auf E-Lastenfahrrädern soll die Tour als rollendes Museum und modernes Zukunftslabor unterwegs sein. Bereits am 11. November 2016 wird die große Landesausstellung „Zwei Räder - 200 Jahre Freiherr von Drais und die Geschichte des Fahrrades“ im Mannheimer Technoseum eröffnet. Auch die Heimattage 2017 in Karlsruhe werden die Erfindung des Fahrrades als eines von drei zentralen Themen feiern.

Mit Beteiligung des Landes findet 2017 auch der 5. Nationale Radverkehrskongress des Bundesverkehrsministeriums in Mannheim statt. Auch die bereits 2012 gestartete Initiative Radkultur wird ihre Aktionen im nächsten Jahr auf das Jubiläum ausrichten. Von den Landesministerien sind nur das Finanzministerium und das Sozialressort nicht am Fahrradjubiläum beteiligt. Alle anderen liefern einen Beitrag.

Planung für kreuzungsfreie Wege

Für die Rad-Zukunft verweist Hermann auf weitere Projekte wie die Planungen der ersten Rad-Schnellwege. Vorgesehen sind die Trassen Plochingen-Stuttgart, Ludwigsburg-Stuttgart und Herrenberg-Stuttgart analog zu den Verkehrs-Trassen der B 10, der B 27 und der A 81. Dabei sind breite Fahrbahnen und eine kreuzungsfreie Streckenführung geplant.

In Baden-Württemberg mit seinem jahrzehntelangen Ruf des Autolandes hat der Radverkehr laut Hermann massiv zugelegt. Paradebeispiel ist für den Minister Karlsruhe, die - wenn man Freiburg beiseite lasse - „Rad-Hauptstadt“ im Südwesten. Dort ist der Rad-Anteil am Nahverkehr von 16 auf 25 Prozent gewachsen. Selbst in Stuttgart, wo vor Jahren ein Radler im Straßenverkehr noch als Exot galt, ist die Quote gestiegen - wenn auch nur auf über den Daumen gepeilt acht bis neun Prozent.