Von Bettina Grachtrup

Heilbronn - Den ersten Machtkampf hat sie bestanden, doch die Bewährungsprobe kommt erst noch. Rund 85 Prozent bekommt die bisherige Verdi-Landeschefin Leni Breymaier am Samstag in Heilbronn bei ihrer Wahl zur neuen Chefin der baden-württembergischen SPD. Und auch ihre umstrittene Wunschkandidatin als Generalsekretärin kann sie durchboxen, wenn auch mit einem mäßigen Ergebnis. Die im Vorfeld viel kritisierte frühere Vizechefin der Jusos, Luisa Boos, geht mit rund 60 Prozent nach Hause. Für beide steht nun eine schwierige Zeit an: Sie sollen die Südwest-SPD aus dem Loch herausholen.

In den Wochen zuvor hatte es heftig gerumpelt im Getriebe der gebeutelten Partei. Nicht nur, dass die Genossen bei der Landtagswahl im März mit 12,7 Prozent ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis einfuhren und in der Opposition landeten. Die Gewerkschafterin Breymaier, die sich nach einigem Überlegen bereiterklärte, in dieser schweren Zeit den Parteivorsitz zu übernehmen, stieß viele Genossen mit der Personalie Boos vor den Kopf. Kritiker befürchten einen Linksruck in der Parteiführung, da beide Frauen dem linken Parteiflügel zugerechnet werden. Und Boos war in Zeiten als Vizechefin der Jusos in eine unschöne Debatte mit abschätzigen Äußerungen über Parteikollegen verwickelt.

Doch zum Eklat kommt es am Samstag nicht. Daran hat Breymaier wesentlichen Anteil. Ihre Rede hält sie frei, in schwäbischem Dialekt und auch sonst sehr ungekünstelt. Sie spricht über sozialdemokratische Werte, über Themen, die viele in der SPD unabhängig von der Gesinnung umtreiben wie die Wohnungsnot und die Unzulänglichkeiten des gesetzlichen Rentensystems. „Die Grundwerte der SPD lauten nicht: Geld, Macht und Sex, sondern Gleichheit, Freiheit und Solidarität“, erinnert sie. Sie appelliert an die Genossen, interne Nabelschauen hinter sich zu lassen, und vermeidet es, zu polarisieren.

„Sozialdemokratisches Feuer“

„Du hast unser Herz erwärmt“, entfährt es danach prompt einer Delegierten. „Das war sozialdemokratisches Feuer“, lobt der Freiburger SPD-Kreisvorsitzende Julien Bender. Juso-Landeschef Leon Hahn, der vorher skeptisch war, meint: „Das war eine starke Rede. Breymaier hat es geschafft, die Partei in der Breite mitzunehmen.“ Der Partei bleibt faktisch aber auch nichts anderes übrig, als Breymaier und Boos im Doppelpack zu akzeptieren. Beide hatten keine Gegenkandidaten. Als nur zweitstärkste Oppositionskraft im Landtag - nach der Alternative für Deutschland (AfD) - kann sich die SPD nicht erlauben, sich selbst zu zerlegen. Der Parteiflügel der sogenannten Netzwerker, die sich selbst als pragmatisch und unideologisch betrachten und zu denen auch der jetzt ausgeschiedene Landesvorsitzende Nils Schmid zählt, befindet sich intern in der Defensive. Unter Führung eben jener Netzwerker hatte die Südwest-Partei so drastisch in der Wählergunst verloren.

Der neue Vorstand ist nun für zwei Jahre gewählt. Für Breymaier und Boos ist das eine Zeit der Bewährung. Sie müssen der Partei vor der Bundestagswahl 2017 wieder Mut und neues Selbstbewusstsein verleihen. Sie müssen zur AfD abgewanderte Wähler zurückgewinnen. Und sie müssen trotz sehr knapper Finanzen dafür sorgen, dass die SPD im Land überhaupt noch sichtbar bleibt. Das ist keine leichte Aufgabe.

Baden-Württemberg, das unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in der bundesweit ersten grün-schwarzen Koalition regiert wird, gehört seit jeher zu den Regionen, in denen es die Sozialdemokratie schwer hat, fehlt dort doch weitgehend die klassische Arbeiterschicht. Inwieweit dort ein etwas linkeres SPD-Profil mehr Stimmen bringen kann, muss sich erst noch zeigen.