Zahnärzte können schmerzlich fehlen. In manchen ländlichen Gebieten ist es schon so weit. Foto: dpa Foto: dpa - dpa

Von Stefan Mauer

Mumbai - Ein sichtlich müder Winfried Kretschmann sitzt am Tisch im Garten des Goethe-Instituts im indischen Pune. Auf der Bühne sind Tänzer in bunter Kleidung. Gerade haben sie Luftballons in die Menge geworfen. Einige Zuschauer werfen sie zaghaft zurück, andere verstauen sie unter ihren Stühlen. Das Kulturprogramm dauert nun schon knapp eine Stunde. Es ist weit nach 21 Uhr, das Buffet ist noch immer nicht eröffnet.

„Wir müssen auch vorsichtig sein, wenn wir mit unseren Vorstellungen hierher kommen und denken, alles würde wie gewohnt funktionieren“, wird der Ministerpräsident später sagen. Er bezieht sich auf das indische Wirtschaftsleben. Aber auch Kultur und Gepflogenheiten überraschen die mehr als 100-köpfige Delegation ein ums andere Mal. Vom vergangenen Montag bis heute besuchen die Politiker, Unternehmer und Wissenschaftler die Städte Pune, Mumbai und Bangalore.

Immer wieder erwähnt Kretschmann zum Beispiel eine Anekdote, die ihm ein deutscher Unternehmer erzählt hat: „Die konnten eine Waschmaschine nicht verkaufen, weil die Tür an der falschen Stelle war. In Indien wollen die Kunden die Waschmaschine von oben befüllen, nicht von vorne. Solche Kleinigkeiten machen manchmal viel aus.“ Trotzdem wird der grüne Ministerpräsident nicht müde, auch die Gemeinsamkeiten zu betonen. „Maharashtra und Baden-Württemberg haben eine sehr ähnliche Wirtschaftsstruktur“, ist ein weiteres Mantra der Reise. Maharashtra ist der wirtschaftsstärkste Bundesstaat Indiens. Dort liegen auch Pune und Mumbai, die Städte, in denen die Delegation sich am längsten aufhält. Schwerpunkte der Wirtschaft sind Chemie, Maschinenbau, Automobile und Informationstechnologie. Maharashtra steht für das boomende Indien. Aber es steht auch für viele Probleme. Im Sommer 2016 litt der Staat unter einer so schlimmen Dürre, dass ein Gericht Sportveranstaltungen verbot, weil der Rasen in den Stadien nicht mehr gewässert werden konnte. Menschen verhungerten, in mehreren Güterzügen wurde tonnenweise Wasser in die verdorrenden Gebiete gebracht. Gleichzeitig leitet die Stadt Mumbai täglich zwei Milliarden Liter Abwasser ungeklärt ins Meer, wie Kretschmann im Gespräch mit Stadtvorsteher Ajoy Mehta erfährt.

Probleme, die Kretschmann am liebsten mit deutscher Technologie gelöst sähe. Wie das gehen kann, schaut er sich beim Besuch der Niederlassung von Bosch Chassis Systems in Pune an. Dort werden zum Beispiel Brems- und Fahrassistenten für Autos und Motorräder entwickelt und gebaut. Man wolle dazu beitragen, die 150 000 Verkehrstoten pro Jahr auf Indiens Straßen zu reduzieren. „Ich habe den Eindruck, dass deutsche Hersteller von Investitionsgütern es zurzeit leichter in Indien haben als Hersteller von Konsumgütern“, lautet Kretschmanns Einschätzung nach einigen Besuchen dieser Art.

Gestern hielt der Ministerpräsident eine Grundsatzrede an der Ingenieurs-Universität IIT Bombay. Dort sprach er auch über die Gefahr, die Indiens rasantes Wachstum für die Umwelt bedeuten könne. Internationale Zusammenarbeit und moderne Technologie seien wichtig für ein Wirtschaftswachstum, das die Umwelt nicht schädige: „Wenn man die Luft nicht mehr atmen und das Wasser nicht mehr trinken kann, haben wir nichts von unserem Wachstum.“