Von Bettina Grachtrup

Stuttgart - Als die designierte SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier am Samstag mit reichlich Verspätung in Stuttgart vor die Presse tritt, sagt sie zur Entschuldigung: „Es hat heute etwas länger gedauert. Wir hatten viel zu besprechen.“ Das ist eine Untertreibung, denn im SPD-Landesvorstand ging es kontrovers zur Sache. Der Grund: Breymaier will Luisa Boos zur Generalsekretärin machen. Die Personalie stößt vielen sauer auf, denn die 31 Jahre alte Boos hat in der Vergangenheit als Vize-Chefin der Jusos polarisiert. Zudem gehört Boos wie Breymaier selbst dem linken Parteiflügel an.

Nach der Niederlage der SPD bei der Landtagswahl im März 2016 mit 12,7 Prozent der Stimmen - nur noch gut halb so viel wie 2011 - hatte Landeschef Nils Schmid seinen Rückzug angekündigt. Der gesamte SPD-Vorstand wird beim Parteitag am 22. Oktober neu gewählt. Die bisherige Verdi-Landeschefin Breymaier soll neue Vorsitzende werden. Sie versucht schon seit Wochen, ein Führungsteam zusammenzubekommen. Das ist keine leichte Aufgabe, denn es gilt, sowohl alle Regionen des Bundeslandes abzubilden als auch die verschiedenen Strömungen in der Partei einzubinden. Dazu kommt die selbstbewusste SPD-Landtagsfraktion, die ihre Belange ebenfalls im neuen Landesvorstand repräsentiert sehen will.

Und das alles in einem Land, in dem die SPD ohnehin seit jeher einen schweren Stand hat. Mehr als der Posten des Juniorpartners war im Stammland von CDU und FDP noch nie drin, und als die CDU 2011 den eigentlich gepachteten Führungsanspruch aufgeben musste, waren schon die Grünen mit Winfried Kretschmann vorbeigezogen.

Breymaier hat den Anspruch, die Parteiführung jünger und weiblicher zu machen. Zudem braucht sie eine Generalsekretärin, der sie selbst vertrauen kann. Über Boos sagt sie: „Es ist nicht so, dass wir in der ersten Reihe überbordend viele junge, alleinerziehende Frauen hätten.“ Boos sei eine „klasse Kollegin“, die die Partei gut kenne. Nach Angaben von Teilnehmern der Vorstandssitzung machte Breymaier klar, dass es sie als Vorsitzende nur im Doppelpack mit Boos geben werde: entweder beide oder keine.

Einige Teilnehmer sind sauer

Kritiker führen aber an, Boos sei zu Juso-Zeiten durch „radikales Auftreten“ aufgefallen. Boos selbst versucht, die Geschehnisse von damals herunterzuspielen: „Man hat sich ab und an mal die Förmchen im Sandkasten weggenommen.“ Nun aber wolle sie die SPD „spannend für alle Menschen“ machen.

Der Landesvorstand lässt am Samstag nicht über die Personalie Boos abstimmen, denn das Ergebnis wäre wohl verheerend gewesen. Dann wäre Breymaier beschädigt gewesen, bevor sie überhaupt im Amt ist. Einige Teilnehmer sind sauer. Breymaier sei mit einer sehr scharfen Wortwahl in die Sitzung gegangen. Viele Genossen hätten in den vergangenen Wochen versucht, auf sie einzuwirken, um eine Eskalation zu vermeiden. Doch Breymaier wolle mit dem Kopf durch die Wand.

Eigentlich sollte die Zeit der Spaltung in der SPD vorbei sein. Mit düsteren Gesichtern verlassen Genossen die Vorstandssitzung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Reinhold Gall, kommentiert das Geschehen schmallippig: „Die Vorsitzende hat ein Vorschlagsrecht. Das geht einher mit der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass der Vorschlag auf breite Zustimmung der Partei stößt. Jetzt ist sie in der Pflicht, für diese Zustimmung zu werben.“ Breymaier selbst räumt ein, dass sie es sich einfacher vorgestellt hat. „Ich nehme zur Kenntnis, dass Partei ein bisschen komplizierter ist als Gewerkschaft. Aber wir lernen im Vorwärtsgehen.“