Umstritten: das Übernachtungsportal Airbnb. Auf dem Foto ist die deutsche Zentrale in Berlin zu sehen. Foto: dpa Foto: dpa - dpa

„Unter dem Deckmantel der Idee des Teilens werden handfeste wirtschaftliche Interessen verwirklicht.“Das Ziel der Abendunterhaltung: die Kommunikation zwischen Einheimischen und Touristen.

Von Sabrina Erben

Stuttgart/Esslingen - Jedes Jahr im April strömen Tausende Menschen nach Hannover zur Industrieschau. Bei der Suche nach einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit in der niedersächsischen Hauptstadt zieht es Otto Normalverbraucher allerdings - salopp formuliert - die Schuhe aus. Bis zu 800 Euro werden dort auf Online-Buchungsportalen für ein Hotelzimmer verlangt, das zu normalen Zeiten vielleicht 80 bis 100 Euro kosten würde. Dasselbe Phänomen zeigt sich in Stuttgart: Das Cannstatter Volksfest lockt jährlich zahlreiche Besucher nach Stuttgart. Auch in dieser Zeit erhöhen sich die Hotelpreise. So manch einer hat keine Lust mehr auf dieses Spiel und schaut sich nach günstigeren Alternativen um. Auf Online-Übernachtungsdiensten wie Airbnb zum Beispiel. Doch es geht nicht nur um den Preis bei privaten Übernachtungsmöglichkeiten, sondern auch um Individualität. Die einsame Empfangshalle und das anonyme Flair eines Hotels sind gerade bei Jüngeren nicht mehr gefragt. Ob Surferhütte, Schloss oder Zauberwohnung: Besondere Unterkünfte werden immer beliebter.

Joe Gebbia, Brian Chesky und Nathan Blecharczyk gründeten 2008 in der kalifornischen Kreativschmiede Silicon Valley die Plattform Airbnb. Eine Erfolgsgeschichte. Heute gibt es mehr als zwei Millionen Übernachtungsmöglichkeiten in 34 000 Städten auf der Welt. Der ursprüngliche Name „Airbedandbreakfast“ wurde 2009 verkürzt zu Airbnb. Das Prinzip: Gastfreundliche Menschen vermieten ihre eigenen vier Wände an Touristen. Das Einstellen von Unterkünften ist kostenlos. Das Unternehmen finanziert sich über eine Servicegebühr.

Und das Geschäft brummt: Jeder elfte Städtereisende in Deutschland schläft über Airbnb oder Wimdu, hat der Berliner Immobilienentwickler GBI in einer Studie im April veröffentlicht. Mehr als 14,5 Millionen Übernachtungen in Privatunterkünften wurden im vergangenen Jahr über Online-Portale in ganz Deutschland vermittelt. Und der Trend hält an.

Das ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Das Portal hat sich seit seiner Gründung schnell weiterentwickelt. Heute vermieten zu einem großen Teil auch kommerzielle Anbieter ihre Wohnungen und Zimmer auf der Plattform. Die romantische Vorstellung des herzlichen Vermieters in Stuttgart, der mit dem Reisenden Spätzleessend in der eigenen Küche sitzt, schwäbische Anekdoten erzählt und mehr bietet als ein anonymes Hotelzimmer, erfüllt sich nicht immer. Oft bekommen die Reisenden ihren Vermieter nicht zu Gesicht. Man kommuniziert ausschließlich über E-Mail. Der Schlüssel liebt bei vielen im Briefkasten.

Der baden-württembergische Hotel- und Gaststättenverband sieht diese Entwicklung kritisch. „Unter dem Deckmantel der schönen Idee des Teilens, werden handfeste wirtschaftliche Interessen verwirklicht“ sagt Daniel Ohl, Sprecher von Dehoga Baden-Württemberg. Gasthofbetreiber im Niedrigpreissegment seien dabei in besonderer Weise von Sharingportalen wie Airbnb betroffen. „Das ist ein wachsender Markt“, sagt Ohl. 2015 gab es der Studie des Immobilienentwicklers GBI zufolge in Stuttgart 225 000 Übernachtungen in privaten Unterkünften. Ein Anteil von etwa 15 Prozent der Übernachtungen. Fast 600 Wohnungen und Zimmer wurden in Stuttgart angeboten. Das Angebot ballt sich allerdings in Stuttgart. Im Umkreis wird das Angebot weniger. „Uns liegen keine Zahlen vor. Wir gehen von etwa 30 Ferienwohnungen in Esslingen aus“, sagt Pressesprecher Roland Karpentier.

Schaut man sich die in Stuttgart angebotenen Wohnungen auf dem Portal an, findet man die „süße Zauberwohnung“, eine „Wohnung in der Nähe von Daimler“ oder „eine schicke Wohnung in Halbhöhenlage“. Der durchschnittliche Preis für die Wohnungen beträgt am Tag etwa 65 Euro. Nach oben gibt es allerdings keine Grenzen. So lässt sich in Fellbach ein ganzes Hotel mieten.

Der Verbandssprecher Daniel Ohl betont: „Es ist normal, dass sich diese Portale entwickeln.“ Es müssten aber dieselben Rechte für alle gelten. „Es ärgert uns, wenn der Wettbewerb nicht fair geführt wird. Weder Brandvorschriften noch Hygienestandards müssen eingehalten werden.“

Ein anderer kritischer Punkt ist der knappe Wohnraum in Ballungsräumen. Denn: „Vor allem der Städtetourismus boomt in den vergangenen Jahren“, sagt Ohl. In vielen Städten wurden in der Vergangenheit eine eigentlich zu vermietende Wohnungen als Ferienwohnungen angeboten. Stuttgart reagierte wie andere Großstädte mit dem sogenannten Zweckentfremdungsverbot. Dieses besagt, dass Wohnungen nicht länger als sechs Monate leer stehen dürfen. Stuttgart hat zwei Stellen ausgeschrieben, die sich mit der Einhaltung des Zweckentfremdungsverbots und der statistischen Auswertung befassen sollen. Daten soll es laut eines Sprechers der Stadt Ende des Jahres geben.

Doch wie sollen die Hotels auf die immer stärkere Konkurrenz von Airbnb oder Wimdu reagieren? „Man muss auf Trends reagieren“, sagt Ohl. Der Wohnungscharakter werde bei Unterkünften beliebter - vor allem bei längeren Aufenthalten und für Familien. So gibt es beispielsweise bald das Steigenberger „Jaz“ für die jüngere Generation: Die Marke gibt es bisher in Amsterdam, ab Anfang nächstes Jahr wird es sie in Stuttgart geben. Check-in und Check-out sowie bargeldloses Zahlen sind über eine App möglich. Im Hotel gibt es Abendunterhaltung. Das Ziel: die Kommunikation zwischen Einheimischen und Touristen.

Über die Plattform

Airbnb, gegründet 2008 mit Sitz in San Francisco, Kalifornien, ist ein Community-Marktplatz, auf dem Menschen Unterkünfte auf der ganzen Welt inserieren und buchen können. Zimmer finden sich in jeder Preisklasse und in mehr als 34 000 Städten und 191 Ländern auf der Welt. Der aktuell geschätzte Wert von Airbnb liegt bei etwa 30 Milliarden US-Dollar.

Es gibt drei Unterkunftsarten:

Die „ganze Unterkunft“: Diese Unterkunft ist oft eine Wohnung oder ein Haus und wird nur vom Gast genutzt.

Das „Zimmer“: Der Gast hat ein eigenes Zimmer, andere Teile der Wohnung wie das Bad oder die Küche werden allerdings mit dem Gastgeber genutzt.

Das „Gemeinschaftszimmer“: Dort wird kein eigener Bereich, sondern nur die Couch angeboten.