In baden-württembergischen Gefängnissen hat sich die Zahl der Häftlinge aus dem Maghreb verdoppelt. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Elmar Stephan

Berlin/Stuttgart - Justizbediensteten in Deutschland brennt derzeit ein Thema besonders unter den Nägeln, nämlich die Frage, wie man mit Häftlingen aus Nordafrika umgehen soll. Diesen Gefangenen geht der Ruf voraus, sehr schwierig zu sein, ein sehr „forderndes Verhalten“ an den Tag zu legen und besonders gegenüber weiblichem Gefängnispersonal respektlos zu sein. Der muslimische Gefängnisseelsorger Mustafa Cimsit aus Frankfurt kritisiert hingegen solche Problembeschreibungen als Klischees und Vorurteile: „Ich kenne auch viele Gegenbeispiele, dass Gefangene hier dafür sorgen, dass es ruhig ist in den Gefängnissen.“

Zunächst muss man feststellen, dass nicht alle Bundesländer in gleicher Weise von dem Problem betroffen sind. Viele Häftlinge aus Nordafrika gibt es in Baden-Württemberg, wo sich in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Häftlinge aus Maghreb-Staaten auf 375 verdoppelt hat. Auch in Nordrhein-Westfalens Gefängnissen hat sich die Zahl der betreffenden Gefangenen von 2014 bis 2016 mehr als verdoppelt und liegt nun bei 812, ist inzwischen aber wieder leicht rückläufig. Und in Sachsen hat sich die Zahl der Gefangenen aus Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien im Lauf des vergangenen Jahres um etwa 40 Prozent auf 255 erhöht.

Kurse für Beamte und Häftlinge

Auffallend sei dabei ein oft respektloses Verhalten gegenüber Vollzugsbeamten, insbesondere Frauen, sagt Steffen Tanneberger vom baden-württembergischen Justizministerium. Im NRW-Justizministerium heißt es, Gefangene aus Maghreb-Staaten zeigten häufig ein forderndes Auftreten, verbunden mit der Drohung, sich selbst zu verletzen oder umzubringen. Sie gestikulierten oft wild, ihr spontanes Verhalten sei schwer einzuschätzen. Häufig befolgten diese Häftlinge Anweisungen nicht, sie seien zudem uneinsichtig bei Fehlverhalten. Die Probleme seien recht massiv, sagt Müller. „Das sind nicht nur Sprachbarrieren, sie neigen schon mehr zu Gewalt, als wir es bei anderen Gruppen haben.“

Aus dem bayerischen Justizministerium heißt es hingegen, respektloses Verhalten könne nicht in besonderer Weise Gefangenen aus Nordafrika zugeordnet werden. Ähnlich sagt ein Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums: „Es wäre zu kurz gegriffen, lediglich Gefangene aus Maghreb-Staaten als problematisch zu beschreiben.“ Gefangene aus anderen Kulturkreisen, aber auch aus dem Bereich organisierter Kriminalität stellten den Justizvollzug immer wieder vor Herausforderungen.

Einige Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen wollen mehr Deutsch-Kurse für Häftlinge. NRW stellte außerdem 45 Integrationsbeauftragte für alle Justizvollzugsanstalten ein. Auch Sachsen will befristet Dolmetscher sowie weitere Psychologen einstellen und die Bediensteten besser schulen.

Im Südwesten sollen die Justizbediensteten Sprachkurse bekommen. Das Land prüft den Einsatz von Videodolmetschern, ebenso Bayern. Auch Schleswig-Holstein setzt auf Sprachkurse für Gefängnismitarbeiter und externe Dolmetscher. Bayerns Gefängnisse böten nahezu flächendeckend Deutschkurse an und setzen auf die interkulturelle Kompetenz der Bediensteten, teilt das Ministerium in München mit. Auch die Stellenzahl im bayerischen Strafvollzug sei seit 2013 um 437 neue Planstellen erhöht worden, im Nachtragsetat 2016 seien 260 neue Justizstellen speziell zur Bewältigung der Flüchtlingskrise geschaffen worden.

Auch Gefängnis-Imam Cimsit fordert eine bessere interkulturelle Schulung der Bediensteten. Probleme ergeben sich seiner Ansicht nach häufig aus einer mangelnden Betreuung der Häftlinge oder aus Missverständnissen heraus. „Was wir aber auf jeden Fall brauchen, ist die flächendeckende Einführung der muslimischen Gefängnisseelsorge“, sagt er. Gemessen an der Zahl muslimischer Inhaftierter gebe es kaum muslimische Seelsorger in den Gefängnissen, auch weil die Finanzierung schwierig sei. Es reiche nicht, alle 14 Tage einen Gottesdienst anzubieten. Das habe nichts mit Seelsorge zu tun. Ein Seelsorger müsse schnell vor Ort sein, wenn es Probleme gebe.