Strahlender Verlierer: SPD-Landeschef Nils Schmid im Gespräch mit Genossen bei der Wahlnachlese am Samstag in Fellbach. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Bettina Grachtrup

Fellbach - Tagelang schien die baden-württembergische SPD nach dem Debakel bei der Landtagswahl am 13. März wie gelähmt: Der Absturz von 23,1 Prozent im Jahr 2011 auf jetzt nur noch 12,7 Prozent setzte der „Volkspartei“ schwer zu. Die SPD, die seit 2011 als Juniorpartner mit den Grünen regierte, ist nur noch zweitstärkste Oppositionspartei im Landtag, vor der FDP - und nach der AfD. Jetzt wird umso heftiger diskutiert: Über Fehler der Vergangenheit, Gebote der Zukunft und mögliche personelle Konsequenzen. SPD-Parteichef Nils Schmid, der Spitzenkandidat war, lehnt einen Rücktritt bislang ab. In Fellbach gingen am Samstag 80 SPD-Politiker in Klausur - Mitglieder des Landesvorstandes, der Parlamente auf Bundes- und Landesebene sowie sozialdemokratische Oberbürgermeister. „Die Stimmung ist ein Stück weit frustriert, aber kämpferisch“, meinte Juso-Landeschef Leon Hahn. Nach sechseinhalb Stunden hielten die Teilnehmer ihre Ergebnisse auf großen Tafeln fest.

Rücktritt oder Abwahl?

„Glaubwürdigkeitslücke beim Thema soziale Gerechtigkeit schließen“, hieß es da. Und: „SPD: frecher, bunter, frischer, weiblicher, innovativer“ sowie mit Blick auf den Schlingerkurs der Partei zur Flüchtlingskrise „Bei Haltungsfragen nicht wackeln“. Auch „mehr Emotionen“ forderten die Parteienvertreter ein. Ähnliches war bereits bei einer Telefonkonferenz mit Mitgliedern herausgekommen. „Die Leute wissen nicht mehr, warum sie die SPD wählen sollen“, bemängelten da mehrere Mitglieder. Welche Strategien daraus folgen, ist noch offen. Gerade Parteichef Schmid hat sich wiederholt vorwerfen lassen müssen, zu wenig Gefühl zu zeigen und als Spitzenkandidat die Menschen im Wahlkampf nicht erreicht zu haben. Der 42-jährige Jurist, der behauptet, „Nerven wie Eiswasser“ zu haben, schien schon mehrmals angezählt zu sein - und hielt sich dann doch. Nach Ansicht des Kommunikationswissenschaftlers Frank Brettschneider befindet Schmid sich nun aber in einer „Eskalationsspirale“. „Er wird zum Rücktritt aufgefordert, kommt dem nicht nach, gilt dann als halsstarrig und wird erneut kritisiert“, sagte der Experte von der Uni Hohenheim.

Das Meinungsbild an der Parteibasis ist allerdings uneinheitlich. Seine Befürworter halten Schmid zugute, dass er sich nach dem Wahldesaster nicht einfach aus dem Staub gemacht hat. „Hinschmeißen kann jeder“, führte ein SPD-Mitglied in der Telefonkonferenz an. Ihm alleine sei das schlechte Abschneiden nicht zuzuschreiben - Schmid habe einen guten Job gemacht. Doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) habe einfach alles überstrahlt, die SPD-Politik im Bund habe ihr Übriges zum Wahldesaster beigetragen. Seine Kritiker halten Schmid zwar für „blitzgescheit“, verbinden die Wahlniederlage aber eng mit dem zurückhaltenden Charakter des einstigen Spitzenkandidaten und fordern deshalb seinen Rücktritt. „Es geht um Personen - Charisma, Persönlichkeit“, führte ein Mitglied in der Telefonschalte an. Auch sei es einfach eine Frage des Anstandes, nach einer verlorenen Wahl die Verantwortung zu übernehmen. Drei offene Briefe gab es bereits an Schmid, in denen Genossen seinen Rückzug anmahnten, einen davon von hochrangigen Kommunalpolitikerin um den Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger, dessen Finanzbürgermeister Ingo Rust und den Rathauschef von Ostfildern, Christof Bolay.

Personelle Fragen zum Schluss

Schmid selbst hat zwar schon signalisiert, für 2021 keine erneute Spitzenkandidatur anstreben zu wollen. Als Landesvorsitzender ist er aber bis Herbst 2017 gewählt. Und bislang ist kein „Königsmörder“ in Sicht, der bereit wäre, ihn brachial vom Sockel zu stoßen. Der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) signalisierte allenfalls sachte, für eine Führungsaufgabe als Landesvize bereitzustehen. Auch der designierte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch kritisierte Schmid zwar scharf, beteuerte aber, den Landesvorsitz nicht zu wollen. Und Vize-Parteichefin Leni Breymaier hält den Landesvorsitz für unvereinbar mit ihrem Amt als Verdi-Landeschefin. Schmid pocht darauf, dass die personellen Fragen zum Schluss der Erneuerung stehen - so hat es der Landesvorstand vereinbart. Ihren nächsten Parteitag hat die SPD vor der Sommerpause. Schmid sagte am Samstag: „Die Frage von Wahlen stellt sich am 23. Juli nicht.“ Erst müssten andere Themen geklärt werden. Ob’s hält, ist die Frage.