Von Roland Böhm

Heilbronn - „In einer Stunde. Bombe. Theresienwiese.“ Es ist nicht mehr viel los auf dem Volksfest in Heilbronn, als am 30. Juli kurz nach Mitternacht zwei Anrufe dieses Inhalts kurz nacheinander bei der Polizei in Heilbronn eingehen. Trotzdem löst das Angst und Schrecken aus. Wenige Tage nach dem Anschlag in einem Einkaufszentrum in München mit etlichen Toten wird der Festplatz rasch geräumt. Eine Bombe wird nicht gefunden. Der nächtliche Anrufer später schon: Seit gestern steht ein 22 Jahre alter Kraftfahrer vor Gericht. „Ich wollte die Aufmerksamkeit auf mich ziehen“, sagt er.

Warum der Mann zuvor im Frühjahr 2016 zweimal morgens Feuer in einem Mehrfamilienhaus in Bad Wimpfen bei Heilbronn legte, in dem er selbst wohnte, kann er selbst nicht erklären. Der Mann mit hoher Stirn, kurzen dunklen Haaren und Vollbart zuckt die Schultern. Durch Stress in der Clique, der Beziehung und bei der Arbeit sei er „in ein Loch gefallen“, sagt er vorm Landgericht Heilbronn.

In beiden Fällen ist der Ablauf gleich: Er kommt von der Arbeit, irgendwann raucht er einen Joint, geht in den Keller, zündet Papier an und geht zurück in seine Wohnung. „Mein Kopf war wie aus“, sagt er. Den möglichen Tod der 15 anderen schlafenden Hausbewohner durch das Feuer oder giftige Gase habe er billigend in Kauf genommen, heißt es in der Anklage. „Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass ich Menschen töten könnte“, sagt der 22-Jährige.

Erst als der Rauch bis zu seiner Wohnung im obersten Stock hochzieht und die Feuerwehr im Haus ist, merkt er, „dass das Ganze kein Spaß ist“. Wegen der Brandstiftungen lautet die Anklage gegen ihn auf versuchten heimtückischen Mord. Nur weil die Brände entdeckt werden und die Feuerwehr schnell da ist, kommt keiner der meist älteren Bewohner zu Schaden. Spätestens bei der zweiten Brandstiftung hätten dem Angeklagten die Konsequenzen seines Tuns klar sein müssen, sagt der Vorsitzende Richter Roland Kleinschroth. Auch, was die Androhung einer Straftat wie eine Bombenexplosion auslöse, habe ihm bewusst sein müssen. Schließlich sei er in der neunten Klasse von der Schule geflogen, nachdem er einen Amoklauf angedroht hatte. „Ich wurde gemobbt. Das war ein Hilferuf“, sagt der 22-Jährige. Im November 2010 - anderthalb Jahre nach dem Amoklauf eines Ex-Schülers in Winnenden mit 16 Toten - kündigt er schriftlich ein „Blutbad“ in seiner Schule an. Der ersten Warnung habe er eine zweite hinterhergesetzt, damit klar werde, von wem die Drohung komme. Einen Amoklauf habe er nie wirklich vorgehabt. Die Kosten für den Polizeieinsatz musste er zahlen. Für die Bombendrohung beim Volksfest kommen wohl 200 000 Euro auf ihn zu. Auf die Schliche kam die Polizei dem Mann, nachdem der Mitschnitt seiner nächtlichen Anrufe bei der Polizei veröffentlicht wurde und Zeugen seine Stimme erkannten. Meist jedoch verlaufen die Ermittlungen laut Polizei bei solchen eher seltenen Bombendrohungen im Sande.