VW stellt in Backnang neue Modelle und Technik vor: Mit einem Assistenzsystem geht das Rangieren mit Anhänger problemlos. Foto: Kai-Uwe Knoth Quelle: Unbekannt

Von Sabrina Erben

Backnang - Ein paar Pferde stehen am Gatter und grinsen, eines liegt auf der Koppel am Boden und lacht. Der Grund für die Heiterkeit? Die Tiere beobachten einen Autofahrer, der verzweifelt versucht, rückwärts mit einem Pferdeanhänger in einen Hof zu fahren. Der Mann im Auto kommt dabei ganz schön ins Schwitzen, immer wieder misslingt der Versuch. Und die Pferde wiehern scheinbar belustigt. Die Szene ist ein Auszug eines VW-Werbespots, der gestern bei der Regionaltour „Think new“ des Autoherstellers in Backnang gezeigt wurde. Die Wolfsburger touren durch Deutschland und stellen Neuheiten wie den Tiguan, up! oder Beetle Dune und Entwicklungen zum Thema Digitalisierung vor. Und betreiben nach den vielen negativen Schlagzeilen ob der nach wie vor heftig schwelenden Abgasaffäre etwas Imagepflege.

Doch zurück zum Pferdeanhänger. Es folgt ein Selbstversuch der anhängerunerfahrenen Autorin: Wie werden die Pferde reagieren? „Nun sind Sie dran mit Rangieren“, sagt ein VW-Mitarbeiter. Die anfängliche Skepsis verfliegt aber schnell. Im Gegensatz zum Auto des Mannes im Video gibt es im Passat Alltrack ein nützliches System: Durch den sogenannten Trailer Assist ist ein teilautomatisiertes Rangieren möglich. Einmal eingestellt heißt es: Hände weg vom Lenkrad. Man muss nur Gas geben, bremsen und wieder nachstellen. Es funktioniert. Mit der Software „Cam-Connect“ und der Kamera „GoPro“ hat der Fahrer dabei stets die Tiere im Anhänger im Blick. „Cam-Connect“ ist ein neues Feature von VW, dem viele weitere folgen sollen. „Die Autoindustrie befindet sich im Wandel, die Entwicklung geht rasend schnell“, sagt VW-Sprecher Christoph Peine.

Mobilität in allen Varianten

Die Abgas-Krise um manipulierte Motoren ist noch lange nicht ausgestanden, der Konzern wird noch eine ganze Weile mit den Folgen des Skandals zu kämpfen haben. Enttäuschte Kunden, enttäuschte Mitarbeiter, ein hoher Imageverlust. Wie viele Klagen folgen noch? Wie teuer wird es für den Konzern? Neben der Vergangenheitsbewältigung muss sich das Unternehmen aber für die Zukunft rüsten. VW will die Affäre als Neubeginn nutzen, schlanker werden, die Elektromobilität stärker als bisher in den Fokus rücken und die Digitalisierung vorantreiben. In Zeiten, in denen das Auto als Prestigeobjekt an Bedeutung verliert, die Parkplatzsuche in Innenstädten zunehmend nervenaufreibender wird und Carsharing-Angebote immer beliebter werden, muss sich vieles ändern. „Die Abgasaffäre ist sicher nicht der Grund für unsere Offensive, aber es war vielleicht ein kleiner Teilchenbeschleuniger“, sagt Peine.

Das reine Autobauen rückt in den Hintergrund, die Dienstleistung in den Mittelpunkt. Mit dabei als neue Rivalen: Unternehmen wie Google oder Apple. VW will nicht nur Autos und Lastwagen herstellen, „sondern Mobilität in allen Variationen anbieten“, sagt Peine. „Wo der Weg genau hingeht, weiß aber niemand. Es ist eine spannende Zeit.“

Konkurrenz schläft nicht

Durch die Vernetzung der Fahrzeuge entstehen neue Dienstleistungen rund um das Auto. So will der Autobauer auch Geld damit verdienen, dass ein Nutzer über eine Plattform einen Fahrservice bestellt. Ein Schritt dahin ist gemacht: VW stieg im Sommer mit 300 Millionen Dollar beim App-Betreiber Gett ein.

Die Konkurrenz schläft allerdings nicht. Die Wolfsburger sind bei diesem Thema keine Vorreiter. Alle führenden Autohersteller gründen Bereiche für Mobilitätsdienstleistungen. Daimler und BMW haben mit ihren Carsharing-Angeboten vorgelegt. Der französische Autokonzern PSA mit den Marken Peugeot und Citroën will sogar selbst ins Geschäft mit Fahrdienst-Apps einsteigen.

VW-Sprecher Peine sieht noch eine weitere Auswirkung der Abgasaffäre: „Der Fokus liegt mehr auf sauberen Antrieben.“ Bis 2030 soll ein Drittel der Fahrzeuge elektrisch sein, mehr als 30 vollelektrische Fahrzeuge sollen auf den Markt kommen.

Volkswagen-Vorstandschef Matthias Müller bezeichnete bei der Vorstellung des geplanten Konzernumbaus 2016 als ein „Jahr des Übergangs“. Die Automobilindustrie stehe vor dem nächsten Innovationssprung. In Verbindung mit der Elektromobilität und dem autonomen Fahren werde die Digitalisierung das VW-Geschäft verändern. Dieser Wandel eröffne dem Unternehmen große Chancen: „Wir wollen es für profitables Wachstum nutzen.“ In den „Volkswagen Group Future Centers“, in Potsdam, im Silicon Valley und in China, sollen die Weichen dafür gestellt werden. Designer und Digitalisierungsexperten arbeiten dort künftig am Auto der Zukunft.

Mobilitätsdienstleistungen

Start-ups für Mobilitätsdienstleistungen erfreuen sich großer Beliebtheit bei Unternehmen:

Die Opel-Mutter General Motors investierte 500 Millionen Dollar in den Fahrdienst Lyft und will gemeinsam Roboter-Taxis testen.

Der Autobauer Toyota beteiligte sich mit einem kleinen Anteil am umstrittenen Fahrdienst-Vermittler Uber. Dieser wiederum entwickelt eigene Roboterwagen-Software und testet sie erstmals mit Fahrgästen an Bord mit umgebauten Volvo-Fahrzeugen in Pittsburgh.

Autobauer Daimler kaufte vor zwei Jahren die App MyTaxi und baute die App jüngst mit der Übernahme des britischen Konkurrenten Hailo aus.

Apple investierte eine Milliarde Dollar in den chinesischen Uber-Konkurrenten Didi Chuxing. dpa