Während auf dem Land die Polizei verstärkt Handysünder aufs Korn nimmt, fehlt in Stuttgart das Personal für mehr Kontrollen, da die Beamten oftmals mit anderen Aufgaben beschäftigt sind. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Landesweit hat 2016 die Zahl der erwischten Handysünder am Steuer zugenommen. Nicht so in Stuttgart, hier nahm die Zahl um 6,5 Prozent ab. Das liegt jedoch nicht daran, dass Autofahrer in der Landeshauptstadt sich mehr an das Verbot halten. Die Polizei hat hier schlicht und ergreifend nicht die Kapazitäten, um im großen Stil zu kontrollieren.

Wer am Steuer sein Handy in die Hand nimmt und dabei erwischt wird, für den wird es teuer. Seit 2014 sind 60 Euro Strafe fällig und zusätzlich gibt es noch einen Punkt in Flensburg. So richtig zu kümmern scheint das die Autofahrer hierzulande allerdings nicht. Denn immer mehr werden dabei erwischt, wie sie am Steuer munter telefonieren oder sogar eine SMS schreiben. Ahndete die Polizei in Baden-Württemberg im Jahr 2014 noch 34 368 Handyverstöße, so stieg die Zahl ein Jahr später auf 58 866. Ein stolzer Anstieg um 31 Prozent.

Der Grund für die Erfolgsquote liegt laut Innenministerium daran, dass landesweit die Polizei die Zügel drastisch angezogen hat und sehr viel öfter am Straßenrand lauert, als es etwa in einer Großstadt möglich ist. Bestes Beispiel ist Stuttgart. 2016 ging hier die Zahl der geahndeten Verstöße erstmals zurück, und zwar um 6,5 Prozent. „Unsere Polizisten sind mit vielen anderen, wichtigen Aufgaben beschäftigt“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach. Aufgaben, die es „im ländlichen Raum“ nun einmal nicht gebe. Unter anderem den verstärkten Objektschutz bei erhöhter Terrorwarnstufe wie etwa kurz vor Heiligabend. Damals wurde nicht nur der Stuttgarter Weihnachtsmarkt in der Innenstadt wegen der Amokfahrt in Berlin bewacht, auch an den Zufahrten zum Welt-Weihnachtsmarkt in Bad Cannstatt standen Polizisten.

Auch das Konzept „sichere Innenstadt“, das nach den Vorfällen in der Silvesternacht 2015/2016 ins Leben gerufen worden war und für das rund 70 Beamte jeden Tag eingesetzt würden, binde Kräfte. „Volks- und Frühlingsfest, diverse Demos und natürlich auch die Spiele des VfB Stuttgart müssen ebenfalls polizeilich betreut werden“, so Keilbach. „Phasenweise kommen wir dann nicht mehr zu den grundsätzlich wünschenswerten Verkehrskontrollen.“ Also freie Fahrt für Handysünder in der Landeshauptstadt? „Auf keinen Fall - es gibt weiter Schwerpunktkontrollen an den wichtigen Ein- und Ausfallstraßen“, betont der Polizeisprecher. Jedoch nicht in dem Ausmaß, wie es in ländlichen Gegenden der Fall ist. Da dort mehr Kontrollen stattfinden als in Stuttgart, wurden dort automatisch mehr Handysünder am Steuer erwischt. Das ist der Grund, warum in Stuttgart die Zahlen rückläufig sind.

Die Bußgeldstelle der Stadt hat 2016 übrigens rund 800 mehr Handyverstöße in der Stadt geahndet als von der Polizei gemeldet. Dies liegt daran, dass die Stadt auch Fotos ihrer stationären Blitzer daraufhin auswertet, ob jemand beim Fahren an seinem Handy rummacht. Wenn ja, kriegt er entsprechend einen weiteren Bußgeldbescheid.

9200 Unfälle ausgewertet

Doch ohne Beweisfoto - wer hätte es gedacht - gibt kaum ein Fahrer seinen Handyverstoß zu. Laut Stefan Keilbach hat man im vergangenen Jahr rund 9200 Verkehrsunfälle ausgewertet. Nur bei neun Unfällen war angeblich ein Handy als Unfallursache mit im Spiel. Dies liegt auch mit darin begründet, dass die Polizei das Handy eines Unfallverursachers nur bei einem heftigen Unfall mit einem Schwerverletzten auswerten darf.

Der Automobilclub Europa (ACE) fordert deshalb, dass im Zuge der polizeilichen Unfallaufnahme künftig grundsätzlich auch ermittelt werden soll, ob zum Unfallzeitpunkt telefoniert, gesimst oder gesurft wurde. Nur auf diese Weise können belastbare Daten und Fakten zum Unfallrisiko durch Handys und Smartphones erhoben und von der Unfallforschung ausgewertet werden.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will unabhängig von dieser Forderung das Bußgeld bei Handy-Verstößen von 60 Euro (plus einem Punkt in Flensburg) auf 100 Euro erhöhen und sich damit den Bußgeldern in anderen europäischen Ländern annähern. Denn Handysünder bezahlen in Belgien 110 Euro Strafe, in Frankreich 135 Euro, in Spanien 200 Euro und in den Niederlanden sogar 230 Euro. Radfahrer, die telefonieren, sollen laut dem Minister statt 25 Euro künftig 55 Euro zahlen. Während Dobrindt damit bei der Stuttgarter Polizei offene Türen einrennt, sehen die ACE-Verantwortlichen den Vorstoß mit Skepsis. Untersuchungen hätten gezeigt, dass härtere Strafen weitgehend verpuffen, wenn nicht regelmäßig und intensiv kontrolliert werde. „Wer die Verkehrssicherheit im Sinn hat, muss die Kontrolldichte deutlich erhöhen und Maßnahmen entwickelt, die sich auf diejenigen konzentrieren, die häufig im Straßenverkehr auffallen. Höhere Strafen bei Vorsatz und bei Personenschäden können dann ein weiterer Baustein sein, allein wären sie wohl nicht wirksam.“

Urteile zum handyverbot am Steuer

Durch die vielen neuen Handyfunktionen müssen immer häufiger Gerichte klären, ob dabei das Handyverbot am Steuer gilt oder nicht. Eine Auswahl aktueller Urteile:

Wegdrücken von Anruf

Wer glaubt, das Wegdrücken eines Anrufs sei vorbildliches Verhalten, der irrt. Ach das ist nach einem Urteil des OLG Köln bereits eine verbotene Nutzung des Handys. (Aktenzeichen: III-1 RBs 39/12)

Handy als Navi

Ziel eingeben und Route starten - das sollten Autofahrer besser nur dann, wenn das Fahrzeug steht und der Motor aus ist. Übrigens gilt das für Smartphones wie mobile Navigationsgeräte gleichermaßen. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm hervor. Denn die gesetzlichen Vorgaben schließen neben dem Telefonieren auch „sämtliche Bedienfunktionen ein“, so die Richter. (Aktenzeichen: III-5 RBs 11/13)

Handy weiterreichen

Reichen Autofahrer ihr klingelndes Handy an den Beifahrer weiter, verstoßen sie nicht gegen das Handyverbot am Steuer - solange sie dabei nicht aufs Display blicken. Die Richter am OLG Köln sehen dabei keine Nutzung im Sinne des Paragrafen 23 Absatz 1a StVO. Der Fall sei letztlich nicht anders zu beurteilen als die Ortsveränderung eines beliebigen Gegenstands im Fahrzeug, etwa wenn der Fahrer das Mobiltelefon wegen von diesem ausgehender störender Geräusche verlege. (Aktenzeichen: III-1 RBs 284/14)

Uhrzeit ablesen

Wer im Auto während der Fahrt zum Handy greift, riskiert ein Bußgeld - auch wenn er nicht telefoniert oder eine SMS schreibt. Nach Auffassung der Richter am Pfälzischen OLG Zweibrücken sei der Blick auf die Uhr eine sogenannte bestimmungsgemäße Nutzung des Handys. Damit liege ein eindeutiger Verstoß gegen die StVO vor, was die Zahlung eines Bußgeldes rechtfertige. (Aktenzeichen: 1 Ss 1/14).

Telefonieren bei abgeschaltetem Motor

Sobald ein Autofahrer eine der Funktionen seines Handys nutzt, macht er sich strafbar. Eine Ausnahme gelte nur bei abgestelltem Motor - das geht aus einem Urteil des OLG Hamm hervor. In dem verhandelten Fall hatte ein Fahrer an einer roten Ampel telefoniert. Der Motor des Wagens war durch die automatische Start-Stopp-Funktion ausgeschaltet. Egal, ob automatisch oder manuell - ist der Motor aus, darf auch hinterm Steuer telefoniert werden. (Aktenzeichen: 1 RBs 1/14)

Telefonieren auf dem Standstreifen

Wer zum Telefonieren auf dem Seitenstreifen einer Autobahn oder Kraftfahrstraße hält, verstößt nach Ansicht des OLG Düsseldorf gleich doppelt gegen die StVO: neben dem Handyverbot auch gegen das Verbot des Haltens auf dem Standstreifen nach Paragraf 18 Absatz 8 StVO. Das kann sogar ein erhöhtes Bußgeld rechtfertigen. „Denn der Seitenstreifen ist nur für den Fall einer Panne gedacht“, so die Richter. (Aktenzeichen: IV-2 Ss OWi 84/04)