Die Post sucht einen Ersatzstandort in Sommerrain. Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Heute hat der Bonus-Markt im Rosmarinweg zum letzten Mal geöffnet. Dann ist Zapfenstreich für den Nahversorger, denn angesichts der Rewe-Konkurrenz in der Schmidener Straße und rückläufigen Zahlen musste die Bonus gGmbH die Notbremse ziehen. Was vor allem für die älteren Sommerrainer noch erschwerend hinzukommt: Ab morgen gibt es auch keine Postfiliale mehr.

Am 23. Februar 2005 öffnete im Rosmarinweg die Bonus gGmbH eine Filiale. Damals wurde für den gut 3200 Einwohner zählenden Stadtteil eine Nahversorgungslücke geschlossen, die der Discounter Lidl durch seine Aufgabe damals hinterlassen hatte. Doch nach zwölf Jahren stehen die Bewohner vor dem gleichen Problem, ihr Bonus-Markt schließt heute für immer. „Die Umsatzzahlen sind seit der Rewe-Eröffnung an der Schmidener Straße stark rückläufig“, sagte Geschäftsführer Manfred Kaul im November, als aus dem Gerücht, dass damals im Cannstatter Stadtteil kursierte, eine traurige Tatsache wurde und er das Aus bestätigte. Nach seinen Einschätzungen bewegen sich die Verluste zwischen 15 und 25 Prozent. Ein wirtschaftliches Arbeiten sei dadurch beim besten Willen nicht mehr möglich.

Dass Sommerrain kein Einzelfall ist, zeigen die vielen Schließungen von Bonus-Märkten, die die Verantwortlichen in den vergangenen Jahren haben bekannt geben müssen. Sonnenberg, Steinhaldenfeld oder etwa der Markt in der Cannstatter Überkinger Straße. Mit ein Grund: Die Bundesregierung hat die finanziellen Mittel für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen gekürzt und mit einer Instrumentenreform die Bedingungen für deren Einsatz nicht nur eng gefasst, sondern auch manche der bisher möglichen Angebote ganz abgeschafft.

Doch nur der Regierung den Schwarzen Peter zuzuschieben, wäre falsch. Denn die Entwicklung in Sommerrain war durch den Beschluss von Bezirks- und Gemeinderat, grünes Licht für einen Supermarkt in der Schmidener Straße zu geben, programmiert. Und das, obwohl der Bonus-Markt im Rosmarinweg mit seinen fast 450 Quadratmetern und gut 7500 Artikeln als Vollsortimenter geführt wurde. Während der Aldi nach seiner Eröffnung offenbar keine „Konkurrenz“ darstellte, so hatte der Bonus-Markt gegen den 1500 Quadratmeter großen Supermarkt um die Ecke mit seinem großen Sortiment und Stellplatzangebot keine Chance mehr.

Besonders hart trifft dies natürlich wie immer die älteren und weniger mobilen Menschen. Und davon gibt es in Sommerrain mehr als anderswo. Denn mit einem Durchschnittsalter von 47,5 Jahren ist die „Gartenstadt“ mit Abstand der älteste der 18 Cannstatter Stadtteile. Fast 900 Menschen leben hier, die älter als 65 Jahre sind. Als „Katastrophe“ bewertet deshalb Werner Schüle vom Stadtseniorenrat, der selbst in Sommerrain wohnt und fast täglich mit dem Thema konfrontiert wird, das Aus. „Jetzt gibt es in Sommerrain nur noch einen Bäcker“, so Schüle zu dem Verlust weiterer Infrastruktureinrichtungen, nachdem bereits die BW-Bank ihre Filiale neben dem Bonus-Markt aufgegeben hatte.

„Doch für viele ältere Bewohner ist der Verlust der Postfiliale fast noch schlimmer“, so der Stadtseniorenrat mit dem Verweis auf die nächste Filiale am Cannstatter Bahnhof. Die Post, obwohl per Gesetz nicht dazu verpflichtet, hat bereits signalisiert, nach einem Ersatzstandort in Sommerrain zu suchen. „Ich habe eine schriftliche Zusage erhalten“, sagte Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler bei der letzten Bezirksbeiratssitzung, als es um die Abstimmung eines entsprechenden CDU-Antrags ging. „Und vielleicht findet sich auch ein Nachfolger für den Bonus-Markt“, so Werner Schüle. Er habe gehört, dass sich ein ausländischer Nahversorger, der bereits ein Lebensmittelgeschäft in der Innenstadt betreibt, für den Standort interessiert habe. „Offiziell bestätigt hat‘s mir noch niemand.“

Hintergrund

In Stuttgart wohnen etwa 77 Prozent der Bürger in einem fußläufigen Einzugsgebiet von einem Lebensmittelgeschäft. Anders gesagt: 23 Prozent, also über 130 000 Stuttgarter, haben keine Möglichkeit, sich in Wohnortnähe selbst zu versorgen. Eine Lösung für die Zukunft könnte vielleicht das neue Konzept „Bonus-Markt Light“ sein. Das Projekt wird einmalig von der Stadt mit 70 000 Euro für die Ausstattung bezuschusst. Im Weilimdorfer Stadtteil Wolfbusch (knapp 3000 Einwohner) soll der erste kleine Markt im Oktober 2017 auf rund 150 Quadratmetern Fläche mit einem kleinen Sortiment von etwa 2500 Artikeln starten.