Auf dem Parkplatz kam es zu einem kleinen Rempler. Es ist nichts passiert und vom Fahrzeughalter weit und breit keine Spur. Warum dann nicht einfach wegfahren, wenn man dem Geschädigten doch eine Nachricht hinterlassen hat? Weil das Unfallflucht wäre - und damit strafbar. Foto: Gökalp Quelle: Unbekannt

Ist es noch Fahrerflucht, wenn ich ein geparktes Auto anfahre, aber einen Zettel mit meinen Daten hinterlasse und wegfahre? Was ist, wenn gar kein Schaden entstanden ist? Muss ich auf den Fahrzeughalter warten? Auch wenn viele Autofahrer unsicher sind, die Anwaltskammer Stuttgart weiß eine klare Antwort auf diese Fragen: Auch in solchen Fällen immer die Polizei rufen. Denn wer sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, begeht eine Straftat.

Von Erdem Gökalp

Für Aufsehen sorgte ein Fall, der sich Mitte Januar in Gablenberg ereignet hatte. Ein 15-jähriges Mädchen wurde dort von einem Auto angefahren. Der Autofahrer erwischte sie auf dem Fußgängerüberweg in der Neuen Straße. Der Fahrer stieg danach aus und erkundigte sich nach dem Befinden des Mädchens, fragte sie, ob sie einen Arzt brauche. Da die Antwort „Nein“ lautete, stieg er wieder in sein Auto, ohne Namen und Informationen zu hinterlassen. Er war im festen Glauben, richtig gehandelt zu haben. Vier Tage später erstatte die Familie des Mädchens Anzeige gegen den Unbekannten. Nach Angaben der Stuttgarter Polizei wurde im Nachhinein eine Verletzung bei dem Mädchen festgestellt. Die spontane Selbsteinschätzung des Fahrers war also falsch. Nun drohen ihm Konsequenzen: Er hat sich wegen Unfallflucht strafbar gemacht.

Ein weiteres Szenario, was viele Autofahrer verunsichert, ist bei einem Unfall mit einem parkenden Fahrzeug, bei dem sich kein Besitzer auffinden lässt und vermeintlich kein Schaden entstanden ist. Keine schlafenden Hunde wecken und weiterfahren, wird manch Autofahrer wohl denken. Oder einen Zettel an der Windschutzscheibe hinterlassen, mit Namen und Daten. Man macht sich damit jedoch strafbar. „Ein verbreiteter Trugschluss ist, dass man weiterfahren kann, wenn kein Schaden sichtbar ist“, sagt Roland Spiegel von der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Um das wirklich festzustellen, müsste die Polizei vor Ort sein. Deswegen gilt der Grundsatz: Immer die Polizei rufen. Wenn tatsächlich kein Schaden entstanden ist, dann brauche man laut Anwalt Spiegel ohnehin keine Kosten zu befürchten. Schäden unter 50 Euro werden gar nicht erst geahndet, sie gelten als Bagatelle.

Wenn man jedoch einfach weiterfährt, egal ob ein Schaden entstanden ist oder nicht, dann ist das Fahrerflucht. Und daraus könnte neben einer satten Geldstrafe eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren resultieren. „Ganz zu Schweigen von dem Entzug der Fahrerlaubnis“, so Spiegel. Da eine Kfz-Haftpflicht in Deutschland bestehe, komme die Versicherung ohnehin für Schäden auf. Bei Fahrerflucht bleibt man jedoch auf den Kosten sitzen. Es bestehe also ein hohes Risiko, wenn man Unfälle vermeintlich schnell und unkompliziert abhandeln will.

Laut Rechtsanwalt Spiegel sei die Selbstanzeige bei einem Unfall ohne Zeugen ohnehin eine Kuriosität. „Es gibt den Grundsatz in Strafverfahren, dass man sich nicht selbst belasten muss.“ Es ist im Regelfall erlaubt, die Aussage zu verweigern, wenn man sich damit belasten könnte. Daher ist es ein Widerspruch, das man die Polizei alarmieren und sich selbst eventuell belasten muss, wenn man beispielsweise ein parkendes Auto anfährt. „Die Chance, dass diese Argumentation vor Gericht durchgeht, ist jedoch sehr gering“, sagt Spiegel. Für Fahrerflucht gelten eben besondere Regeln. Und es bleibt der Grundsatz für Autofahrer: Sicher ist sicher, die Polizei ist nicht umsonst als Freund und Helfer da.