Da die Turmuhr der Stadtkirche Bad Cannstatt im Besitz der Stadt Stuttgart ist, musste diese bisher die Kosten für Reparaturen tragen. Zuletzt war das 2015 notwendig, als die Uhr nach einem Blitzeinschlag stehengeblieben ist. Fotos: Gökalp Quelle: Unbekannt

Seit mehr als 400 Jahren ist die Stadtkirche fester Bestandteil des Stadtbildes von Bad Cannstatt. Es ist jedoch kein selbstverständlicher Anblick, denn der Erhalt des Gebäudes ist mit kostspieligen Wartungen und Reparaturen verbunden. Bisher hat die Stadt finanziell mitgewirkt. Aus dieser Vereinbarung, die seit dem 19. Jahrhundert gilt, will sie nun raus. Bei Verhandlungen mit der evangelischen Kirche soll die finanzielle Mitverantwortung neu geregelt werden.

Von Erdem Gökalp

„Die Stadt Stuttgart muss sich bei insgesamt 30 Kirchtürmen in der Stadt an den Kosten mitbeteiligen“, sagt Kirchenpfleger Hermann Beck. Diese Vereinbarung mit der Kirche basiert auf einem Vertrag aus dem Jahr 1892. „Die Rahmenbedingungen haben sich in den letzen 130 Jahren verändert. Der Kirchturm hat längst nicht mehr die Wichtigkeit, die er damals hatte“, sagt Volker Schaible, Leiter der Stadtkämmerei. Daher soll nun eine neue Vereinbarung getroffen werden. Die Verhandlungen mit der evangelischen Kirche sind schon in vollem Gange. Bisher gab es auch individuelle Vereinbarungen mit einzelnen Kirchen. „Das macht die Verhandlungen kompliziert.“ In Zukunft soll daher ein einheitlicher Prozentsatz für alle Kirchen gelten.

Auch für die Stadtkirche Bad Cannstatt besteht eine Ausnahmeregelung. „Es gibt eine Urkunde, die belegt, dass die Turmuhr zu 100 Prozent der Stadt gehört und nicht der Kirche“, sagt Kirchenpflegerin Martina Ordenewitz. Wenn es nach ihr ginge, würde es dabei bleiben. Schaible sieht die Sache anders: „Ich hoffe, dass wir die Verantwortung über die Uhr im Laufe der Verhandlungen an die Kirche übergeben können.“ Ausschlaggebend hierfür sei außerdem, welche Bedeutung die Turmuhr für die Bürger eigentlich noch habe. „Sie hat natürlich nicht den Wert, den sie früher hatte“, räumt die Kirchenpflegerin ein. Im Zeitalter von Smartphone und Armbanduhr gebe der Glockenschlag kaum noch eine notwendige Auskunft über die Uhrzeit. Jedoch sei die Kirche fest im Bewusstsein eines jeden Bürgers verankert. Für das Stadtbild sei sie daher unersetzlich. „Die Stadtkirche ist ein Symbol Bad Cannstatts.“ Stadtkirchenpfarrer Florian Link gibt der Turmuhr ebenfalls eine wichtige Bedeutung: „Die Uhrzeit ist öffentliches Interesse und sollte daher auch stark in der öffentlichen Aufgabe liegen.“ Das habe er vor allem gemerkt, als die Stadtuhr im Sommer 2015 vom Blitz getroffen wurde und in Folge für einige Wochen ausgefallen ist. Die Reaktion der Menschen und ihre Teilhabe an dem Ausfallen der Uhr habe ihm gezeigt, dass es ein öffentliches Interesse gebe. Damals hat die Stadt die EnBW mit der Reparatur beauftragt und auch die Kosten getragen. Doch die erste Diskussion um die Finanzierung wurde damit angeregt.

Ein ähnlicher Fall landete im Jahr 2015 in Gingen an der Fils sogar vor Gericht. Die baden-württembergische Gemeinde konnte ihre finanzielle Beteiligung durch das Gerichtsurteil von knapp 80 auf 33 Prozent reduzieren. Volker Schaible betonte jedoch, dass die Diskussion in Stuttgart in einem guten Klima verlaufe. Hier werde ein Gerichtsurteil also nicht nötig sein.

Um den Verwaltungsaufwand zu verringern, soll für alle Stuttgarter Kirchtürme eine einheitliche Regelung getroffen werden. Darin sind sich Kirche und Stadt einig. Wie hoch diese Beteiligung sein soll, wird dann im Laufe diesen Jahres geklärt. Kirchenpfleger Hermann Beck betreibt bereits eine Bestandsaufnahme der Kirchentürme, Glocken und Uhren. Die Wartungsarbeiten, die für diese Einrichtungen anfallen, seien mit einigen hundert Euro ohnehin in einem relativ geringen Bereich. Doch die Frage nach der Finanzierung falle erst dann ins Gewicht, wenn eine Sanierung anfalle. „Der Betrag kann da leicht in einen sechsstelligen Bereich rutschen.“