Die Bahn prüft, ob der zweite Teil des Holzstegs nicht kostengünstiger entfernt werden kann. Foto: Nagel Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Spaziergänger am Seilerwasen werden sich wundern, dass der zweite Teil des Holzstegs über den Neckar immer noch steht. Was den Abbau dieses Brückenstücks angeht, so hat die Deutsche Bahn ihre Pläne geändert. Momentan wird geprüft, ob hierbei nicht auf den Riesenkran verzichtet werden kann, um das Gesamtprojekt wirtschaftlicher zu gestalten.

Der Entwurf für die neue Neckarquerung, er stammt vom Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann und Partner, ist sicher spektakulär. Aufgehängt an drei Stahlsegeln, die neben ihrer tragenden Funktion auch dem Schallschutz dienen sollen, überspannt die 345 Meter lange Eisenbahnbrücke nicht nur den Fluss, sondern auf Bad Cannstatter Seite zusätzlich die Schönestraße (die Gleise rücken näher an die Häuser heran) und auf der Seite Rosensteinpark die Neckartalstraße. Die größte Höhe der neuen Eisenbahnbrücke beträgt etwa 15 Meter über dem Normalwasserspiegel des Neckars.

Auf dem Bauwerk verlaufen zwei zweigleisige Strecken: die der Fernbahn zum neuen Hauptbahnhof und die der S-Bahn zum neuen Hauptbahnhof (tief) über den neuen S-Bahnhof Mittnachtstraße. Da diese Strecken auf der Westseite in separaten Tunneln unterhalb des Rosensteins münden, ist der Brückenüberbau dort mit jeweils etwa 13 Metern Breite zweigeteilt. Im Bereich des gemeinsamen Überbaus der Hauptbrücke beträgt die Breite rund 25 Meter. Die größten Stützweiten betragen 75 Meter im Bereich der beiden Hauptfelder über dem Neckar. Unter der Eisenbahnüberführung entsteht als „untergehängte“ Konstruktion eine neue Fuß- und Radwegverbindung. Laut Deutscher Bahn liegen die Gesamtkosten bei 35 Millionen Euro. In dieser Summe steckt auch der komplizierte Abbau des Holzstegs, der 1977 für die Bundesgartenschau errichtet worden war, und der aus Platzgründen der neuen Neckarbrücken weichen muss.

Kompliziert bedeutet zumeist auch teuer, wobei die Bahn die Höhe dieser Summe nie kommuniziert hat. Sehr wohl dagegen die Vorgehensweise. Auf Grund der Länge (158 Meter) und des Gewichts (gut 200 Tonnen) wurde der Abbau in drei Etappen unterteilt. Denn von Anfang an war klar, dass nur ein Riesenkran die schwere Last von den Brückenpfeilern abheben und sicher ans Ufer transportieren kann. Um für dessen sicheren Stand zu sorgen, musste der Hügel, auf dem die Brücke auf Seiten der B 10 verankert war, abgetragen werden. Deshalb wurde zunächst in der ersten Juniwoche ein rund 20 Meter langes Teilstück der Brücke entfernt. Zwölf Tage später stand der Gittermastkran, der bis zu 750 Tonnen bewegen kann. Dessen Ballastgewicht allein wiegt 380 Tonnen und sein Ausleger ist 84 Meter lang.

Und nach gut zweistündigem Warten war das Spektakel am 14. Juni vorbei. Kurz nach 12 Uhr löste sich das etwa 70 Tonnen schwere Brückenteil und wurde von dem Riesenkran sicher über den Neckar ans Ufer transportiert. Dort wurde die Holzkonstruktion zerlegt und abtransportiert. „Es gab zwar einige Verzögerungen, aber keine Probleme“, sagt ein Bahnsprecher. Eigentlich sollte bereits im Anschluss der letzte Teil des Brückenabbaus erfolgen. Getan hat sich seitdem am Seilerwasen jedoch nichts, der Brückenteil schwebt immer noch über dem Neckar. „Wir prüfen, ob der Rückbau des Stegs nicht einfacher und kostengünstiger geht“, so der Bahnsprecher. Denn zusätzlich zum Riesenkran hätte der Neckar mindestens einen halben Tag für die Schifffahrt gesperrt werden müssen. Denn auf der Altstadtseite ist beim besten Willen kein Platz gewesen, um den Steg abzulegen und zu zerkleinern. Die Bahn sah deshalb einen Abtransport per Schiff vor.

„Auf dieser Seite haben wir jedoch keinerlei Zeitdruck und können Alternativen prüfen“, erklärt der Bahnsprecher. Der Grund: Die ersten Arbeiten für die neue Brücke, die bereits begonnen haben, erfolgen auf Seite der B 10. Hier befindet sich zudem das Hauptbaufeld, denn die fast 350 Meter lange Konstruktion „wächst“ von hier aus im so genannten Taktschiebeverfahren Zentimeter um Zentimeter über den Fluss in Richtung Altstadt. In den nächsten Tagen soll sich jetzt entscheiden, auf welchem Weg der zweite Teil des Holzstegs abgebaut werden wird. Sicher weniger spektakulär als am 14. Juni, aber mit genauso viel Wehmut. Denn die Bad Cannstatter hängen nun einmal an ihrem Holzsteg.