Mit ein Wunsch, der aus der Zukunftswerkstatt hervorgegangen ist: Die Stadt soll die alte Eisenbahnbrücke kaufen und für Passanten und Radfahrer zugänglich machen. Foto: Nagel Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Das Ziel der Zukunftswerkstatt ist ambitioniert: Bad Cannstatt soll sich im Jahr 2030 in vielen Bereichen - vor allem städtebaulich - anders präsentieren als heute. Angesichts der geplanten Internationalen Bauausstellung (IBA) 2027 in Stuttgart, in die der größte Stadtbezirk der Landeshauptstadt fast schon zwingend integriert werden soll, scheinen einige Ideen, die am Dienstagabend im Kursaal präsentiert wurden, gar nicht mehr so visionär.

Wer die Vorzüge von Stuttgarts größtem und ältestem Stadtbezirk aufzählt, kommt gerne ins Schwärmen: Wilhelma, Rosensteinpark, Neckarpark, historische Altstadt, Museen oder Kurpark samt Kursaal, nicht zu vergessen die vielen Brunnen mit ihrem gesunden Mineralwasser, keine Frage, Bad Cannstatt hat jede Menge zu bieten.

Doch fast genauso lang sind die Nachteile. In vielen Ecken drückt der Schuh dermaßen, dass selbst der Gang zum Schuster nicht mehr reichen würde, um die Probleme aus der Welt zu schaffen. Zu viel Verkehr quält sich täglich durch die Straßen, sorgt für miese Luft und folglich für eine schlechte Lebensqualität. Und den Neckar erleben kann man nur an ganz wenigen Stellen. Und städtebaulich? Vor allem der Wilhelmsplatz, der Bahnhofsvorplatz sowie die Zufahrtsstraßen (alte B 14, Mercedesstraße) müssen umgestaltet, wenn nicht sogar umgebaut werden.

Die Zukunftswerkstatt, die sich Ende 2015 auf den Weg gemacht hat, viele dieser Mängel zu beseitigen, ist in diesem Jahr schon sehr konkret geworden und hat eine ganze Latte von Ideen, Wünschen und teilweise auch Visionen zusammengetragen. „Was wir jetzt brauchen, sind Impulse“, sagte Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler zu den fast 200 Besuchern im Großen Kursaal, als die Arbeit der vergangenen zwölf Monate vorgestellt wurde.

Ein solcher Impuls könnte laut Dietrich Haaf, Hauptorganisator der Zukunftswerkstatt, die IBA 2027 sein. Erst vor einer Woche hatte OB Fritz Kuhn ein flammendes Plädoyer im Technikausschuss über die Vorzüge einer Internationalen Bauausstellung gehalten und damit durchaus offene Türen bei den Fraktionen eingerannt (wir berichteten). Jetzt will die Region Anfang 2017 eine GmbH gründen, der die Kommunen und die Stadt beitreten sollen.

Und wenn Großereignisse von Weltformat in Stuttgart geplant sind, dann sitzt bekanntermaßen der Geldbeutel - nicht nur beim Stadtkämmerer - lockerer. So wurde beispielsweise eigens für die Fußball-WM 2006 der Cannstatter Bahnhof von der Deutschen Bahn im großen Stil saniert. „Die IBA ist eine einmalige Chance - auch für Bad Cannstatt“, gab sich Haaf optimistisch. Und davon müssen 2017 Stadtverwaltung, Politik und Wirtschaft überzeugt werden. Eine erste Möglichkeit gäbe es dazu am 17.Januar im Kursaal, wenn unter anderem Baubürgermeister Peter Pätzold sich im Rahmen der Zukunftswerkstatt den Fragen, Wünschen und Anregungen der Bürger stellt.

Die größte Chance auf eine zeitnahe, städtebauliche Aufwertung hat sicher das gesamte Neckarknie. Denn schon heute beschäftigt sich die Stadtverwaltung mit der Umgestaltung des Uferbereichs. Im Zuge des Rosensteintunnels und der neuen Stuttgart-21-Brücke werden hier ab 2019/20, wenn beide Bauwerke in Betrieb gegangen sind, städtebaulich die Karten neu gemischt.

Ein wichtiger Mosaikstein dürfte dabei die mehr als 100 Jahre alte Eisenbahnbrücke sein. Statt abgerissen, soll sie künftig für Passanten als „Park über den Neckar“ eine attraktive Verbindung zwischen Altstadt und Rosensteinpark sein. Auch Radfahrern soll die alte Eisenbahnbrücke zugute kommen. Über ihr könnte ein sogenannter Radschnellweg angelegt werden, der Fahrradfahrer durch den alten Tunnel auf direktem Weg in die Stuttgarter Innenstadt führt. „Die Fahrt vom Bahnhof Bad Cannstatt bis zum Hauptbahnhof wäre so in rund sieben Minuten zu schaffen“, so Haaf, der darauf verwies, dass andere Großstädte sich solchen Projekten bereits ernsthaft widmen würden.