Das traditionsreiche Mineralbad Berg wird seit Herbst vergangenen Jahres für rund 30 Millionen Euro saniert und modernisiert. Foto: Gökalp Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Marode Bäder, sinkende Besucherzahlen sowie teure Sanierungsprojekte, Stuttgarts Bäderlandschaft kostet richtig viel Geld und machte in den vergangenen Jahren ihrem Ruf, ein Sorgenkind der Landeshauptstadt zu sein, alle Ehre. Auf Grundlage einer umfangreichen Bestandsanalyse will Bäder-Chef Alexander Albrand Wege aus der Bäderkrise aufzeigen.

OB Fritz Kuhn hatte im vergangenen Jahr die Zuständigkeiten seiner Bürgermeister neu verteilt. Seit Oktober darf sich Technikbürgermeister Dirk Thürnau mit Stuttgarts Bäderlandschaft befassen. Kein Ressort mit großem Spaßfaktor. Denn allein die Bilder vom Abbau der altehrwürdigen Traglufthalle vor wenigen Tagen sprechen Bände.

Leider wird sich die Prozedur mit Zeltlager-Charakter noch einige Jahre wiederholen. Denn erst Ende 2020 rechnet Dirk Thürnau mit der Fertigstellung des neuen Sportbades, das für mehr als 30 Millionen Euro an der Mercedesstraße gebaut wird. Eine stolze Summe, weshalb die Stadt auch Zuschüsse bei Bund und Land beantragt hat. „Eine Zusage steht noch aus“, so Thürnau. Er und sein Bäder-Chef Alexander Albrand rechnen deshalb mit einen Baubeginn Ende 2018 wenn nicht sogar erst 2019.

Bis dahin wird man bei Sportverwaltung auch sicher wissen, wohin die Reise für das Stadtbad in der Hofener Straße geht. Glaubt man dem Aufschrei der Vereine und Schulen, wenn man das Thema Schwimmunterricht anspricht, so wird die Stadt wohl nicht darum herumkommen, Geld reinzustecken und es zu sanieren. Im Bürgerhaushalt sammelte der Wunsch reichlich Stimmen und landete auf Platz vier.

„Es gibt einiges zu tun - und wir wissen noch nicht einmal alles“, beschrieb gestern Dirk Thürnau den baulichen Zustand der 16 Stuttgarter Bäder, als er zusammen mit seinem Bäder-Chef Alexander Albrand dem Gemeinderat einen Zwischenstand über die versprochene Bestandsanalyse gab. Und die Liste der Baumängel ist lang und kostet Millionen. Das Stadtbad Untertürkheim, das nur noch Dank des Engagements des Fördervereins betrieben werden kann, wird seit einigen Wochen saniert. Die Kosten: mehr als eine Million Euro. „Es soll zum Schulbeginn fertig sein“, sagte Alexander Albrand. Doch diese Maßnahme ist fast schon ein Schnäppchen, denn allein das marode Hallenbad in Feuerbach verschlingt 12,5 Millionen Euro.

Doch nicht nur der bauliche Zustand vieler Bäder stimmt bedenklich und muss analysiert werden, auch die rückläufigen Besucherzahlen - insbesondere beim MineralBad Cannstatt - geben den Verantwortlichen Anlass zur Sorge. Trotz umfangreicher Werbe- und Marketingaktionen nimmt die Zahl der Badegäste hier kontinuierlich ab. Warum das so ist, soll unter anderem eine Besucherbefragung ergeben. Das sei jedoch nur eine von vielen Maßnahmen seiner umfangreichen Bestandsaufnahme. Wichtig: Er will nicht nur den Markt - sprich die Konkurrenz aus dem Umland - analysieren, auch das Thema zufriedenes Personal seines Eigenbetriebs spiele eine wichtige Rolle. Unterm Strich soll am Ende für jedes der 16 Stuttgarter Bäder eine Art Steckbrief ausgearbeitet werden, der anschließend vom Gemeinderat diskutiert wird. „Erst dann soll ein zukunftsfähiges Bäderkonzept ausgearbeitet werden“, so Albrand. Eines könne er heute schon sagen: „Es steckt noch viel Potenzial in unseren Einrichtungen - vor allem in den Mineralbädern.“

Insgesamt zeigten sich die Fraktionen sehr zufrieden mit der geplanten Vorgehensweise ihres neuen Bäder-Chefs. Lob gab es vor allem dafür, dass Albrand neben einer Steigerung der Attraktivität auch die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Fokus hat, seine Mitarbeiter mehr ins Boot holen und Schwerpunkte bei den Mineralbädern setzen möchte.

Die ersten Duftmarken haben die Bäderbetriebe bereits gesetzt und ihr Kassensystem modernisiert. Badegäste können mittlerweile bequem vom Sofa aus online ihre Eintrittskarten reservieren und ab der am 6. Mai beginnenden Freiluftsaison auch mit Geldwertkarten in allen Freibädern bezahlen. Das Projekt „schwimmfit - sicher Schwimmen in Stuttgart“ ist ebenfalls gestartet und im Leuze finden regelmäßig besondere Events statt. Zudem startet 2018 mit Stuttgart Marketing und deren StuttCard eine neue Kooperation für die Mineralbäder. Da auch die Öffentlichkeitsarbeit auf Albrands Agenda steht, wird in absehbarer Zeit die Homepage auf Vordermann gebracht und die Onlinevernetzung verbessert. „Wir müssen auch den Bedürfnissen jüngerer Besucher gerecht werden“, so der Bäder-Chef.

Das spiegelt sich bereits in den Freibad-Angeboten wieder. Am 1. Juli gibt es im Inselbad Untertürkheim die erste Stuttgarter Stadtmeisterschaft im Badewannenrennen. Und am 22. Juli veranstaltet der Jugendgemeinderat Nord im Höhenfreibad Killesberg den Arschbomben-Contest vom Ein-Meter-Brett. Für den zweiten Wettbewerb hat Bürgermeister Thürnau bereits abgesagt, es sei denn, man gebe ihm einen Neoprenanzug. „Ansonsten tut das Hinterteil so weh.“