Die beiden Schilder sprechen eine klare Sprache. Das Geradeausfahren ist an dieser Stelle untersagt. Fotos: Nagel Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Statt eine Verkehrsinsel wie in den 1990er-Jahren in der Badstraße zu bauen, hat die Stadtverwaltung nur zu Farbe und Pinsel gegriffen und Fahrbahnmarkierungen auf der Kreuzung vor dem Hochbunker angebracht. Das Resultat: Schleicher ignorieren das Geradeausfahrverbot und düsen weiter in Richtung Rosensteinbrücke.

Die Badstraße gehört sicher nicht zu den überlasteten Straßen. Eine Verkehrszählung im Jahr 2014 ergab knapp 3000 Fahrzeuge pro Tag. Eine andere Relation erhält die Zahl jedoch, wenn man weiß, dass es sich bei weit über 50 Prozent davon um einen Durchfahrts- und keinen Anliegerverkehr handelt. Die Mehrheit der Autofahrer kümmert sich herzlich wenig um das Verbotsschild am Wilhelmsplatz, das die Badstraße klipp und klar als Anliegerstraße kennzeichnet. Die Beobachtung, dass zwei Drittel der täglich rund 3000 Fahrzeuge Doppelkennzeichen hatten und geradeaus in Richtung Rosensteinbrücke fuhren, war damals für die Stadtverwaltung der Beweis, dass es sich definitiv um Schleichverkehr handelt.

Aus diesem Grund schlug das Stadtplanungsamt Ende 2014 dem Bezirksbeirat vor, die Verkehrsinsel, die von 1997 bis 2002 das Schleicherproblem in der Badstraße eingedämmt hatte, wieder zu installieren. Bis auf die CDU plädierten alle Fraktionen auf eine zügige Umsetzung, allein die CDU hatte Bedenken. Die Christdemokraten befürchteten eine Verlagerung des Verkehrs in die Schöne- und Wilhelmstraße und wollten abwarten, bis der Rosensteintunnel 2020 in Betrieb geht. Denn dann werden in Sachen Verkehr in Bad Cannstatt die Karten sowieso neu gemischt. Die Folge: Vorerst gibt‘s keine Verkehrsinsel in der Badstraße.

Bewegung kam in das Thema erst wieder, als sich die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) im vergangenen Jahr einschaltete. Der Grund: Lange Rückstaus im Berufsverkehr - sowohl morgens wie abends - sorgen für massive Behinderungen des Bus- und Stadtbahnbetriebs. Zudem gab damals SSB-Chef Wolfgang Arnold zu bedenken, dass neben der U 13 auch noch die neue Stadtbahnlinie U 16 ab 2018 durch die Badstraße fahren wird. Angesichts dieser Argumente gab der Ausschuss für Umwelt und Technik grünes Licht für den Bau der kleinen Verkehrsinsel auf der Kreuzung vor dem Hochbunker. Sie sollte künftig eine Geradeausfahrt der Schleicher über die Rosensteinbrücke verhindern.

Umso erstaunter ist man jetzt in Bad Cannstatt, dass die Verwaltung zwar Maßnahmen an besagter Stelle ergriffen hatte, aber von einer Verkehrsinsel weit und breit nichts zu sehen ist. Stattdessen haben die Mitarbeiter des Tiefbauamts zu Farbe und Pinsel gegriffen. Die Markierung, die eine Geradeausfahrt verbietet, ist zwar eindeutig zu sehen und wird durch zwei Schilder gut sichtbar untermauert. Interessieren tut‘s die Schleicher aber wenig. Von zehn Autos düsen neun ohne Hemmungen über die schraffierte Fläche weiter in Richtung Rosensteinbrücke.

Aus welchen Gründen die Verwaltung sich für die einfache Lösung entschieden hat und ob hierbei das letzte Wort gesprochen ist, will das Tiefbauamt in den nächsten Tagen klären. Doch dass die abgespeckte und zugegeben billigere Variante die Bezeichnung Schildbürgerstreich verdient, darf die Verantwortlichen nicht verwundern. Denn ein Autofahrer, der ohne mit der Wimper zu zucken verbotswidrig durch eine Anliegestraße fährt, der macht sich doch keine Gedanken über Pfeile und schraffierte Flächen. Zumal auch bei diesem zweiten Verkehrsdelikt in der Badstraße das Sprichwort gilt: wo kein Kläger, da kein Richter.