Tiere zum Anfassen für Groß und Klein, das gibt es weiter in der Wilhelma - aber keine heimischen Rassen. Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel und Andrea Eisenmann

Die Katze ist aus dem Sack: Seit knapp zwei Wochen steht mittlerweile fest, dass der Schaubauernhof einer 1,5 Hektar großen Elefantenanlage weichen muss. Erfreulich für Freunde der Dickhäuter, die immerhin das Wappentier der Wilhelma sind. Doch sorgen die Zukunftspläne von Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin neben Bedauern auch für harsche Kritik.

Trotz Eisbären und niedlicher Affenbabys - das Zugpferd der Wilhelma ist der Schaubauernhof. Nicht nur, dass Hausschweine, Kühe, Zwergziegen oder Esel heute für viele Erwachsene genauso exotisch anmuten wie Bären oder Giraffen, auf dem Schaubauernhof hat man wie sonst nirgendwo im zoologisch-botanischen Garten die Möglichkeit, Tiere hautnah kennenzulernen und zu streicheln. Wobei zweitgenanntes durchaus nicht nur von Kindern gern gemacht wird. Haben die schwäbisch-hällischen Landschweine Nachwuchs, so gibt es auch für ältere Besucher kein Halten mehr. Das wissen nicht zuletzt die Tierpfleger, die die beliebte Einrichtung, die 1993 eröffnet wurde (siehe Anhang), betreuen.

Die Pläne von Wilhelma-Chef Thomas Kölpin, der mit seinem Masterplan den Stuttgarter Zoo für die Zukunft fit machen will, stoßen aber auch auf harsche Kritik. Kein Blatt vor den Mund nimmt Rudolf Bühler, Vorsitzender der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, der dabei von einem „Rückfall in die Zoopädagogik der 1960er-Jahre“ spricht. Bekanntermaßen ist die Schweinerasse mit den markanten Flecken auf der Haut seit Jahren fester Bestandteil der Wilhelma. Während andere Zoos ihre Schaubauernhöfe mit heimischen Tieren erweitern, macht die Wilhelma, die hierbei einst Vorbild war, diese Einrichtung dicht.

„Wir finden es schade und bedauerlich“, findet auch Ariane Amstutz, Sprecherin des in Stuttgart ansässigen Landesbauernverbands Baden-Württemberg, kritische Worte. „In der Vergangenheit konnte man oft beobachten, dass viele Kinder auf dem Schaubauernhof zum ersten Mal auf Nutztiere getroffen sind, die sie bisweilen gar nicht kannten.“ Viele Kinder wachsen in städtischer Umgebung auf und haben mittlerweile gar nicht mehr die Möglichkeit, sich in einem ländlichen Betrieb umzuschauen.

Katrin Dorkewitz, Mitarbeiterin der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH), zeigt sich über das Vorhaben der Wilhelma-Verantwortlichen erstaunt: „Wir beobachten in Zoos und Tierparks eigentlich eine andere Entwicklung.“ Die GEH hatte den Wilhelma-Schaubauernhof 2010 zu einem „Arche-Park“ gekürt. Einen Titel, den andere Zoos ebenfalls gerne in ihrem Portfolio tragen würden. „Es wäre deshalb schade, wenn der Schaubauernhof verschwindet.“ Hart ins Gericht geht der Württembergische Anglerverein mit den Verantwortlichen. „Der Bau eines neuen, pompösen Elefantenhauses im Staatszoo - zum wesentlichen Teil aus Steuergeldern finanziert - wird abgelehnt“, sagt der Vorsitzende Hans-Hermann Schock. In Deutschland gebe es bereits rund 150 asiatische Elefanten in Zoos - mit der Alibi-Vorgabe, die Tiere zu züchten und vor dem Aussterben zu retten. Tierschutz tue not, aber in Asien und nicht in Stuttgart. „Es kann zudem nicht der Bildungsauftrag der Wilhelma sein, als 25. Zoo in Deutschland auf das Problem in Asien hinzuweisen und damit Geld zu verdienen“, so Schock. Der Verein fordere deshalb, dass frei werdende Gelände und verfügbare Mittel in ein Projekt investiert werden sollen, um das Leben in heimischen Flüssen und Seen darzustellen. „Kinder in Baden-Württemberg kennen in der Regel maximal fünf heimische Fischarten - da besteht wirklich ein Bildungsbedarf.“

Was diesen Punkt angeht, so bleibt Matthias Schneider von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft allerdings gelassen: „Wir sind überzeugt, dass die Wilhelma auch ohne Schaubauernhof nach wie vor ein attraktiver Ort bleibt, um aus pädagogisch-fachlicher Sicht verschiedene Facetten des Tierreichs zu vermitteln. Auch wenn manche Kinder etwas enttäuscht sein werden.“

Eine Flut an Protestbriefen oder E-Mails hat die Wilhelma nicht erreicht. „Lob und Kritik halten sich auf diesem Weg bei uns eh in Grenzen, doch mehr als sonst waren es schon“, sagt Wilhelma-Sprecher Harald Knitter. Die meisten der gut 30 Protestäußerungen drückten eher Bedauern als nackte Wut aus. Zudem herrsche nach wie vor der Irrglaube, dass die Wilhelma künftig überhaupt keinen Streichelzoo mehr haben würde. „Das ist nicht so, es werden dann nur andere Rassen sein, passend zu dem Thema des asiatischen Dorfes“, sagt Knitter. Das Konzept der Wilhelma widme sich zudem mehr dem Konflikt Mensch - Tier, als dass es die Entwicklung vom Wild- zum Nutztier darstellen möchte.

Eröffnung vor 24 Jahren

Es war der 7. Mai 1991. Wilhelma-Direktor Dieter Jauch und der damalige IGA-Bevollmächtigte Klaus-Dieter Pantke durften tief durchatmen. Mit 9:8 stimmte der Technikausschuss nun doch dem Bau des Schaubauernhofes zu, nachdem das Gremium diesen ein Vierteljahr zuvor noch abgelehnt hatte. Der Grund: Besonders die Grünen und die SPD hatten große Bedenken wegen des Eingriffes in den Rosensteinpark. Einer der größten Fürsprecher war damals OB Manfred Rommel, der vor der Abstimmung sagte, dass er auf „Gottes Hilfe hofft, um die Sache zu einem guten Ende zu führen“. Die Unterstützung kam damals nicht von oben, sondern war irdischer Natur. Denn Stadtrat Erwin Joos (Republikaner) hatte als einziges Ausschuss-Mitglied seine Meinung geändert und votierte für die Einrichtung, die eine IGA-Attraktion werden und anschließend in die Obhut der Wilhelma wechseln sollte. Am 23. April 1993 war es soweit: Der 2,8 Hektar große und 15 Millionen Mark teure Schaubauernhof mit mehr als 130 Tieren in 29 Arten wurde eröffnet.