Nach der Eröffnung des Rosensteintunnels ist laut einem Gutachten das Wohnen in diesen Gebäuden wegen der zu hohen Schadstoffwerte nicht mehr möglich. Foto: Nagel Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Die Stadt will Wohngebäude an der Pragstraße kaufen und dann abreißen lassen. Der Grund: Laut einem Gutachten sind dort nach der Eröffnung des Rosensteintunnels die Stickstoffdioxidwerte erheblich höher als vorher und damit unzumutbar für die Bewohner. Doch ihre Wohnungen verkaufen wollte bisher nur knapp die Hälfte von ihnen, weshalb die Klage gegen den Tunnelbau noch nicht vom Tisch ist.

Ziel des Rosensteintunnels ist es, die Lebensqualität Bad Cannstatts zu verbessern. Denn neben der enormen Lärmbelastung und schlechten Luft, insbesondere im Bereich der Wilhelma-Kreuzung, hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr Schleichverkehr von der Pragstraße auf die umliegenden Straßen verlagert. „Verkehr bündeln“, so die Maxime, die der damalige Baubürgermeister Matthias Hahn vor dem Baustart ausgegeben hat. Zudem ist der Tunnel, der gut einen Kilometer unter dem Rosensteinpark hindurchführt, samt Umbau des Leuzeknotens der dritte und letzte Teil des Gesamtausbaus der B 10/B 27 zwischen Zuffenhausen und Stuttgart-Ost. Allerdings hat der Tunnel mit 270 Millionen Euro einen stolzen Preis, wobei viele Kritiker, die das Großprojekt nach wie vor hat, heute schon unken, dass noch vor der Eröffnung die 300 Millionen-Euro-Grenzen geknackt werden wird.

Die ersten Autos sollen 2020 durch den Rosensteintunnel fahren; folglich hat die Stadtverwaltung auch noch knapp vier Jahre Zeit, ein großes Problem zu lösen. Das liegt am künftig Nordportal des Tunnels, wo gerade erst die Straße verschwenkt wurde. Ein Gutachten aus dem Jahr 2013 besagt klipp und klar, dass die heute eh schon miese Luftqualität im Bereich der Südeinfahrt des Pragsatteltunnels durch das künftige Nordportal des Rosensteintunnels noch schlechter wird. Nach Hochrechnungen der Experten soll der Jahreswert für Stickstoffdioxid mit 95 Mikrogramm um elf höher liegen als vorher. Damit wird der Jahresgrenzwert um 55 Mikrogramm überschritten.

Schon 2012 hatte der Baubürgermeister betont, dass es wegen dieser unzumutbaren Belastung das Ziel der Stadt sei, das Wohnen dort aufzugeben. Andernfalls müssten teure Lüftungsanlagen gebaut werden. Das Problem: Die Gebäude befinden sich im Privatbesitz, weshalb die Stadt sie kaufen will, um anschließend die Gebäude abreißen zu lassen. Doch nicht alle Eigentümer waren mit dem Angebot - sprich dem Quadratmeterpreis - der Stadt einverstanden. 2013 stand ein Betrag von durchschnittlich 1500 Euro im Raum. „Die Wohnungen sind doch in sehr unterschiedlichen Zuständen“, sagt Rechtsanwalt Roland Kugler, der die unzufriedenen Wohnungsbesitzer nicht nur vertritt, sondern auch Verständnis für sie aufbringt. „Einige haben für viel Geld modernisiert, ausgestattet und dann vermietet.“ Und der Markt für solche Wohnungen in einfacher bis mittlerer Lage habe sich in den vergangenen Monaten sehr dynamisch entwickelt. Deshalb könne auch keiner der Betroffenen mit der von der Stadt gebotenen Kaufsumme adäquaten Ersatz im Stadtgebiet erwerben. Falls die Stadt beim Kaufpreis nicht finanziell nachlegt, wollen die Eigentümer gegen den Bau des Rosensteintunnels klagen.

Laut Thomas Zügel, Leiter des Amts für Liegenschaften und Wohnen, hat die Stadt mittlerweile den Eigentümern ein besseres Angebot gemacht. Aber: „Der große Wurf ist dadurch nicht gelungen.“ Von den rund 50 Wohnungen habe man erst knapp die Hälfte erwerben können; zuletzt eine Ende 2015. Mit den übrigen Eigentümern müsse weiter verhandelt werden. „Wir haben ja noch etwas Zeit bis 2020.“

Die Cannstatter Grünen machen sich ebenfalls schon Gedanken für den Bereich zwischen BMW und der Kreuzung Löwentor-/Pragstraße. Aus ihrer Sicht eine prominente Lage, die einmal eine städtebaulich gute Lösung braucht. Die Verwaltung soll im Bezirksbeirat darüber berichten, was das derzeitige Bau- und Planungsrecht dort zulässt. Zudem wollen sie über den Stand der Kaufverhandlungen informiert werden sowie von der Verwaltung wissen, wie in dem Gebiet die Eigentumsverhältnisse generell sind.