„Ich will doch bloß schauen“, lautet oft die Devise bei Schaulustigen, wenn sich Unfälle oder Notsituationen ereignet haben. Während Einsatzkräfte ihre Arbeit leisten, um Leben zu retten, bilden sich Gruppen von Zuschauern. Zu einem Problem werden Gaffer, wenn sie die Arbeit von Einsatzkräften behindern. Im Zeitalter von Smartphones werden immer öfter Bild- und Videoaufnahmen gemacht. Ein Antrag auf eine härtere Bestrafung im Fall von Behinderung durch Schaulustige wurde letztes Jahr im Bundesrat abgelehnt.

Von Erdem Gökalp

Wenn Hilfskräfte wie Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst alarmiert werden, zählt jede Sekunde. Von ihrem schnellen Vorankommen hängen Menschleben ab. Bei einem Einsatz des Rettungsdienstes vergangene Woche hatten sich jedoch nicht nur Hilfskräfte, sondern auch Gaffer vor Ort eingefunden. Nachdem eine Person in der S-Bahn in der Schwabstraße einen epileptischen Anfall erlitten hatte, hatte sich beim anschließenden Rettungsdiensteinsatz eine große Menge Schaulustiger versammelt, um Foto und Videoaufnahmen zu machen. Die Bundespolizei hat daraufhin reagiert und den Personen Platzverweise erteilt.

Auf Volks- und Frühlingsfest kam es schon vor, dass Rettungskräfte beim Einsatz behindert wurden. Teilweise wird kein Platz gemach oder darum gebeten, kurz zur Seite zu gehen, um ein Foto zu machen. Die Polizei Aalen hatte Mitte Januar vergleichsweise größere Probleme mit Gaffern gehabt. Bei einem schweren Unfall auf der Bundesstraße 29, bei dem zwei Menschen ums Leben gekommen sind, hatten sich auf einer Brücke Schaulustige versammelt, die Bilder und Videos von dem Unfallszenario gemacht haben. Nachdem genug Einsatzkräfte vor Ort waren, wurden die Schaulustigen schließlich von der Polizei des Platzes verwiesen. Mit einem Aufruf auf Facebook hat sich die Polizei Aalen danach an die Betroffenen gewendet. „Schämt Ihr Euch nicht?“, fragten sie. Denn gerade diejenigen, die Bildaufnahmen machen, demonstrieren ein „pietätloses und distanzloses Verhalten“.

Hobby-Filmer können insbesondere dann Probleme bekommen, wenn sie das Material veröffentlichen. Denn es gilt, die Persönlichkeitsrechte einer verletzten Person zu wahren. Gerade weil sie oft auch wehrlos sind. Die sogenannte „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ kann sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden. „Es ist wichtig, dass man seinen Anstand und Respekt nicht verliert und, statt mit dem Handy ein Video zu machen, die 112 anruft“, sagt Ralf Schuster, Leiter des Rettungsdienstes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Er zieht dennoch eine positive Bilanz, denn viele Menschen seien nicht nur neugieriger, sondern auch hilfsbereiter geworden. Einsatzkräfte der Polizei gehen sogar direkt auf Unbeteiligte zu, um ihre Hilfe zu beanspruchen. Beispielsweise um ein Warndreieck aufzustellen. „Wenn man die Personen anspricht, sind sie oft hilfsbereit oder fühlen sie sich andersherum ertappt und gehen einfach weiter“, sagt der Polizeisprecher Thomas Doll.

Im Juni 2016 wurde das Thema bereits im Bundesrat angegangen. Ein Gesetzentwurf des Landes Niedersachsen sah vor, dass künftig die Behinderung von Rettungskräften durch Schaulustige stärker unter Strafe gestellt werden sollte. Obwohl Baden-Württemberg dem Antrag zugestimmt hat, gab es keine Mehrheit für den Gesetzesentwurf. Minister Thomas Strobl spricht sich zumindest für eine härtere Bestrafung aus: „Schaulustige, Gaffer, die Polizei und Rettungskräfte behindern - das geht gar nicht.“ In Nordrheinwestfahlen werden inzwischen mobile Schutzwände eingesetzt, die die Sicht auf das Geschehen verhindern sollen.