Bernd-Marcel Löffler, Wolfgang Pfeffer, Andreas Zaiß, Steffen Kauderer und Panajotis Delinasakis (von links) stoßen auf das Urteil an. Foto: seb Quelle: Unbekannt

Von Erdem Gökalp

Bisher waren die Abfolgen zur Fasnet in Bad Cannstatt unmissverständlich geklärt: Am Schmotzigen Donnerstag wird das närrische Treiben durch den Rathaussturm eingeleitet, bei dem der amtierende Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler von seinem Amtsposten gestürzt wird. Nach uralter Tradition haben dann bis zum Aschermittwoch die Narren das Sagen. Doch nicht in diesem Jahr, denn der Bezirksvorsteher musste sich vor einem närrischen Tribunal verantworten. Der Grund: Er hatte dem vermeintlichen Umsturz getrotzt und war im Rathaus gesichtet worden, wie er seines Amtes waltete.

Auch die Zuschauer konnten dies sehen. Denn schon um 18 Uhr, als die Kapelle und die Tanzgarde auf dem Marktplatz für Stimmung sorgten, zeigte sich Löffler an seinem Fenster im Rathaus. Sie konnten beobachten, wie er bei einem Bier die Aussicht genoss. Büttel Wolfgang Pfeffer erblickte ihn und ergriff das Wort: „Dr Löffler hot es g‘wagt, in sei Rothaus zrick zu kehre.“ Prompt wurde der Schultes herunter zitiert und vom Büttel zur Anklagebank geführt. Dort warteten bereits die drei erbosten närrischen Richter, bestehend aus den Küblern Andreas Zaiß, Steffen Kauderer und Panajotis Delinasakis. Schon die Kleidung des Angeklagten, eine hellgrüne Weste, wurde vom Ersten Richter Zaiß als „scheußlich“ bezeichnet. Die Anklage fiel entsprechend hart aus. Der Angeklagte habe sein Versprechen vom Schmotzigen Donnerstag gebrochen, bis zum Aschermittwoch nicht mehr zu arbeiten. Das Publikum unterstützte die Anklage mit Gelächter und Zwischenrufen. Die Richter machten dem Schultes deutlich, dass es seine Pflicht sei, sein Amt zu räumen. Dann kam der Angeklagte zu Wort: „Lieb‘s Gericht, i kann‘s erklära.“ Schon wurde er vom Zweiten Richter Kauderer unterbrochen: „Jedes Wort wird‘s nur erschwera.“ Ein hitziger Disput brach los. Am Ende gab es dennoch eine friedliche Einigung, die mit einem Viertele begossen wurde. Bei einem Riesling gestand der Angeklagte am Ende ein, dass die Narren doch ganz „passabel“ seien. Ein Urteil, mit dem alle leben konnten.

Um den neu geschlossenen Frieden zu zelebrieren, gab es sogleich eine weitere Neuheit: Der Cannstatter „Fackelrumzug“. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Umzug verlief dieser nicht geradlinig, sondern im Kreis um den Marktplatz herum. Das Publikum, unter dem sich verschiedene Narrenzünfte gemischt hatten, wurde mit Fackeln ausgestattet. So wurde die erfolgreiche närrische Rückeroberung des Rathauses gefeiert.