Pech für die Mannschaft des Cannstatter Quellen-Clubs: An der Wippe hatte die Zigeneunerinsel hauchdünn die Nase - sprich den Kübel - vorn. Der CQC wurde denkbar knapp geschlagen. Quelle: Unbekannt

(erg/uli) - Die Cannstatter Altstadt war gestern wieder einmal fest in Narrenhand. Den Auftakt in die heiße Phase der schwäbisch-alemannischen Fasnet machte am Vormittag traditionell der närrische Wochenmarkt auf dem Marktplatz, der sich wieder einmal in eine Partymeile mit Obst, Gemüse, Wurst, Fisch und Blumen verwandelt hatte. Verkleidete Beschicker und jede Menge geschminkte Schaulustige. Traditioneller Höhepunkt am Schmotzigen Donnerstag war natürlich das Kübelesrennen, nachdem zuvor die Narren das Alte Rathaus gestürmt und den Schultes kurzerhand in Handschellen abgeführt hatten. Doch der Burgfrieden war nach dem Rohrtrunk schnell wieder hergestellt.

Frauenpower: An Weiberfastnacht läuft alles unter weiblicher Regie. Daher wird bei jeder Gelegenheit gegen die Männerwelt ausgeteilt. „Die Männer bleiben heute zu Hause und dürfen die Wohnung putzen“, sagt die Moderatorin des Närrischen Wochenmarktes, Isolde Pfeffer, mit einem Augenzwinkern. Und während die Männer zu Hause bleiben, dürfen die Frauen die fünfte Jahreszeit zelebrieren. Kein Wunder, dass Pfeffer ihre eigene Schelle dabei hatte - zwar kleiner, aber dafür eleganter. Auch die Waschweiber ziehen an diesem Tag um die Häuser, um die Männer „mal ordentlich einzuseifen“, und zwar mit ihrer Standardausrüstung: Bürste und Rasierschaum.

Einkauf mit Losen: Eine große Menschenmenge hat sich vor einem besonderen Stand versammelt. Grüne Stofftüten gingen dort über den Verkaufstresen, gefüllt mit Wein, Blumen, Konservenfleisch und allerlei frischer Kost vom Markt. Das Besondere: Nicht mit Geld, sondern mit Losen konnte man bezahlen. Mit dem Losverkauf finanzieren die Markleute den närrischen Wochenmarkt und sorgen zusätzlich für abwechslungsreiche Gewinne. Ohnehin haben sich die Kaufleute vom Fasnetsfieber anstecken lassen. Deswegen erhält man den frischen Fisch von einer Meerjungfrau und Obst und Gemüse von pinken und grünen Hühnern ausgehändigt.

Maskenball: Mit einer bunten Vielfalt an Verkleidungen und Masken ist jeder Besucher in eine andere Rolle geschlüpft. Vom Kaninchen bis zum Krokodil und vom Soldaten bis zum Clown kamen Narren von Rottenburg bis Waiblingen auf dem Cannstatter Marktplatz zusammen. Natürlich hatten auch die Narrenzünfte und Karnevalsvereine mit ihren traditionellen Bekleidungen aufgetrumpft. Die Stuttgarter Rössle in Schwarz-Gelb und die Rems-Hexen in Gelb mit grüner Schürze. Kein Maskenball, sondern ein Maskenmarkt eben.

Giftgrüner Schultes: Oberkübler Steffen Kauderer hat Wort gehalten. Nachdem im vergangenen Jahr ein lächerlicher Narrenbaum von gerade einmal sieben Metern nicht für Angst und Schrecken, sondern eher für viel Gelächter in den verhassten Amtsstuben gesorgt hatte, verging dem Schultes Bernd-Marcel Löffler in diesem Jahr das Lachen. Angesichts des fast 30 Meter hohen Ungetüms nahm sein Gesicht die Farbe seiner berühmten, giftgrünen Jacke an.

Respekt: Nichts zu Lachen hatten die starken Zimmermänner, die den Baum nur mit Muskelkraft, einem Seil und den bekannten Schwalben als Stütze in die Höhe wuchten mussten. Das Problem war jedoch nicht das tonnenschwere Teil, sondern der heftige Wind, der die Arbeit nicht gerade einfach machte. Einer, der es wissen muss wie es geht, spendete tapfer Applaus: Rolf Hohl hatte in seiner Funktion als Feuerwehrmann zusammen mit seinen Kollegen immer den Cannstatter Maibaum aufgestellt. Er zollte den Männern Respekt.

Geläutert: Im vergangenen Jahr wollten die trickreichen Kübler die Amtsstuben vom Marktplatz aus stürmen. Das Problem: Keiner der Besucher des Spektakels bekam‘s so richtig mit. Somit fiel ihre Rathaus-Erorberung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Diese peinliche Blöße wollten sich die Narren in diesem Jahr nicht mehr geben. Fast 500 Schaulustige applaudierten heftig, als die Amtsstuben wie gewohnt mit Leitern, Rätschen und viel Getöse eingenommen wurden. Übrigens: Es ist nur ein Gerücht, dass daher die Risse am Alten Rathause herrühren sollen.

Trinkfest: Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Sauerwasserschultes ist Trinkfestigkeit. Und pingelig darf er zudem auch nicht sein. Denn zu einer seiner wichtigsten Tätigkeiten zählt in Bad Cannstatt nun einmal der gemeinsame Rohrtrunk. Der berühmte Friedensbrauch der Kübler ist schon legendär und braucht gewaltig gute Lungen, damit der köstliche Rebensaft durch das schmale Röhrchen in den Gaumen gelangt. Kein Problem für Löffler: Wer bei der A-Capella-Gruppe Vox humana seinen Mann steht, für den ist der Rohrtrunk im standesgemäßen Kübler-Outfit - der roten Weste - ein Klacks. Weniger schön für ihn: „Ich bin bekennender Biertrinker“. Da gilt nur: Augen zu, ein paar mal kräftig saugen und schon ist es geschafft.

Ideale Bedingungen: Ein rappelvoller Marktplatz, Live-Übertragung in der Landesschau, bestes Wetter - ideale Bedingungen für das Kübelesrennen. Kein Vergleich zum Vorjahr, als heftiger Regen das Spektakel zur Rutschpartie machte. Doch offenbar machte der böige Wind den Teams zu schaffen, an der tückischen Kippe mussten die Helfer nicht nur einmal einspringen, um den wackeligen Kübel samt Inhalt drüber zu bringen. Vor allem das reine Frauenteam der CDU hatte Mühe, benötigte vier Anläufe und gütige Mithilfe eines Streckepostens. Oder ist Stadträtin Beate Bulle-Schmid doch ein politisches Schwergewicht?

Orientierungslos: Der Grünen-Kübel mit Stadtrat Björn Petterhof und Bundestagskandidatin Anna Christmann zeigte der Konkurrenz im ersten Lauf gleich einmal, was eine Harke ist. SPD-Fraktions-Chef Martin Körner pennte am Start, verlor dann noch auf der Strecke die Orientierung und musste sich mit seiner Truppe deutlich geschlagen geben. Zur Strafe wurde er von Moderator Steffen Kauderer wieder zum Bezirksvorsteher von Stuttgart-Ost degradiert. Und die FDP und die Freien Wähler? Beide Fraktionen erlitten mächtig Schiffbruch, flogen aus dem Kübele und landeten unter ferner liefen. Allerdings waren die Liberalen so clever und hatten mit dem Kreisverband ein zweites Eisen im Feuer. Respekt dem Kreisvorsitzenden Armin Serwani und seinem Team: Platz 6.

Nummer 1: Wer ist die Nummer 1 unter den Cannstatter Sportvereinen? Seit Jahren meiden die Edelkicker des VfB Stuttgart das Kübelesrennen wie die Pest, im direkten Duell traten gestern deshalb „nur“ der TB Cannstatt und der TV Cannstatt an. Und der Jubilar, immerhin wird der Turnerbund in diesem Jahr stolze 125 Jahre alt, machte sich selbst ein schönes Geschenk: Er schlug den ewigen Rivalen vom Schnarrenberg um Längen. Der hätte wohl besser keine Baseballer eingesetzt, sondern, wie der TBC mit Triathlet Nils Dehne, auf Allround-Qualitäten gesetzt.

Rasende Banker: Schneller als die Polizei erlaubt - die Mannschaft, die Revierleiter Thomas Engelhardt aufgeboten hatte, machte ihrem Beruf alle Ehre, bewältige den Kurs in einem rasanten Tempo, als hätten sie noch nie gehört, dass auf dem Marktplatz nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist. Allerdings reichte es am Ende „nur“ zur Silbermedaille. Gold ging in diesem Jahr an das Team der Volksbank Stuttgart. Gratulation an Regionaldirektor Ralf Plessing und seine rasenden Banker. Bronze ergatterten die Schwarzen Störche.