Wenn es keine andere Möglichkeit mehr gab, dann wurde der zugefrorene Neckar eben mit dem Bagger bearbeitet. Zuletzt war das 2012 der Fall.Archiv Foto: Kuhn Quelle: Unbekannt

Deutschland erwartet eine neue Kältewelle. Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt lassen nicht nur die Menschen, sondern auch die Seen und Flüsse gefrieren. Der zugefrorene Neckar hat im Laufe der Geschichte manch spektakuläres Bild geboten. Um das Eis zu brechen, gab es einst noch den Berufszweig des Flößers. Später wurde Muskelkraft durch die Maschinenkraft der Eisbrecher auf dem Wasser abgelöst. Auch in besonders hartnäckigen Fällen wussten sich die Bewohner der Neckarvororte zu helfen.

Von Erdem Gökalp

Vor knapp einem Jahrhundert waren die Cannstatter harte Winter noch gewöhnt. Der Schnee lag länger, auch mal von Advent bis Aschermittwoch. Dennoch hat der Wintereinbruch von 1928/29 mit seiner besonderen Härte Geschichte geschrieben. Die Cannstatter mussten Temperaturen unter minus zehn Grad ertragen. Kein Wunder, dass der Neckar damals komplett zugefroren war. Damit wurde der Fluss gleichzeitig zum Spielfeld und zur Schlittschuhbahn, sogar ein Auto ist auf dem Eis gefahren. Gleichzeitig bestand Gefahr, dass Brückenpfeiler durch Eisbrocken beschädigt werden. „Damals gab es noch den Beruf des Flößers, der das Eis per Hand zerhackte, um den Schaden einzuschränken“, sagt Historiker Olaf Schulze vom Verein Pro Alt-Cannstatt. Doch gegen eine 55 Zentimeter dicke Eisschicht wussten sich die Bürger nur noch auf eine Weise zu helfen - mit Dynamit. Die Folgen der Sprengungen waren riesige Eisschollen, die eine surreale Landschaft auf dem Neckar hinterlassen haben. Die Grundlage für ein historisches Fotomotiv war geboren.

Im Laufe des Jahrhunderts hat sich dann nicht nur das Klima verändert, sondern auch der Neckar. „In den 50er Jahren wurde der Fluss in weiten Teilen zu einem Kanal begradigt“, so Schulze. Der Neckar wurde tiefer und das Wasser floss schneller, wodurch weniger Gefahr bestand, dass er einfror. Dennoch blieben einige Wintereinbrüche besonders in Erinnerung. Im Jahr 1971 sind reihenweise Schiffe und Motorboote auf dem Neckar festgefroren. Zeit für den Einsatz des Eisbrechers „Stadt Stuttgart“. Bis nach Plochingen musste er sich vorarbeiten, um die notleidenden Schiffe aus ihrer misslichen Lage zu befreien.

Eine weitere Entwicklung gab es bei der Temperatur des Neckarwassers. Früher war der Fluss schmutziger, wodurch er auch wärmer war. „Durch den Schmutz hatte das Wasser einen höheren Gefrierpunkt“, sagt Walter Braun vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt. Längst wird der Neckar nicht mehr durch Abwasser verunreinigt. Auch benötigen die Fabriken weniger Neckarwasser zum Kühlen ihrer Maschinen, was ebenfalls die Wassertemperatur beeinflusst.

Den letzten harten Winter hat Stuttgart 2012 erlebt. Eisbrecher sind zum Einsatz gekommen. Die beste Strategie beim Zufrieren des Neckars sei laut Walter Braun ohnehin abzuwarten. „Es ist immer besser, das Eis von alleine schmelzen zu lassen. Denn wenn das Eis gebrochen wird, entstehen Schollen, die sich übereinanderstapeln. Diese schmelzen bedeutend langsamer.“

Für den Menschen lauert eine besondere Gefahr, wenn er seinen Fuß auf den zugefrorenen Fluss setzt. „Im Gegenteil zum eingefrorenen See bildet sich unter der Eisdecke eines zugefrorenen Flusses eine besonders starke Strömung“, so Braun. Diese komme durch den hohen Druck zustande, der durch die schwere Eisdecke entstehe. Wer in einen Fluss einbricht, der könnte daher von der Strömung erfasst und unter der Eisdecke gefangen werden.