Die Cannstatter Weltenbummler Carl-Uwe und Helga Höger schwelgen gerne in ihrem Wohnzimmer in Erinnerungen an ihre Abenteuerreisen, die sie in die entlegensten Winkel der Erde führen. Fotos (2): Olbort Quelle: Unbekannt

Von Janey Olbort

Sternehotels mit Vollpension sind nichts für Carl-Uwe und Helga Höger. Als das Ehepaar aus Bad Cannstatt jetzt in Laos war, haben sie bei einer einheimischen Familie übernachtet und kurzerhand ihre Schlafsäcke auf den Holzdielen einer Veranda ausgebreitet. „Man ist so überwältigt von den Eindrücken, da blendet man einen harten Boden einfach aus“, sagt Carl-Uwe Höger.

Während ihrer Reisen in die entlegensten Winkel unserer Erde wohnen sie immer bei Einheimischen. „In den meisten Dörfern gibt es häufig einen Ortsvorsteher, der einige Worte Englisch spricht. Der erklärt uns dann, wo wir während unseres Aufenthalts unterkommen können.“ Die beiden reisen seit vielen Jahrzehnten durch die Welt, um fremde Kulturen kennenzulernen. „Wir werden unterwegs aber auch ständig von den Einheimischen beäugt, die wissen wollen, wie wir denn Zuhause leben“, erzählt Helga Höger.

Erste Reise nach Gibraltar

Für die Weltenbummler wurde es in den letzten Jahren zunehmend schwerer, touristisch unerschlossene Flecken auf unserem Planeten zu finden. Mit der Verbreitung des Internets und der Smartphones hält die westliche Lebensweise auch im tiefsten Urwald Einzug. „Die Einheimischen bekommen dadurch mit, wie man in anderen Teilen der Welt lebt. Sie geben dann oft alte Traditionen auf und kaufen zum Beispiel billige Kleidung, statt selbst zu weben. Andere wollen sogar ihre Stämme verlassen“, sagt Carl-Uwe Höger. In den letzten Jahren zog es die Cannstatter hauptsächlich in asiatische und afrikanische Länder. Auf Kontinenten wie Australien oder Südamerika sei es nur noch sehr schwer möglich, fremde Kulturen zu entdecken.

Carl-Uwe und Helga haben 1968 geheiratet, kurz danach sind sie das erste Mal gemeinsam verreist: für drei Wochen nach Gibraltar. „Das war unser erster und letzter Strandurlaub.“ In den darauffolgenden Jahren begannen sie, ihre Urlaube zunehmend selbstständiger zu planen. „Erst fuhren wir Anfang der 70er-Jahre mit dem Auto nach Italien und Griechenland. Einige Jahre später unternahmen wir erste Bergtouren im Himalaja.“ Nach und nach haben Högers die Reisen selbst organisiert und sich zum Beispiel auch um Tour-Guides und Gepäckträger bei Bergexpeditionen gekümmert.

Bei ihrer Urlaubsplanung gehen die Eheleute immer systematisch vor: Helga Höger informiert sich in Büchern, im Internet oder im Fernsehen über noch unerschlossene Landstriche und unbekannte Eingeborenenstämme. Nachdem sie sich für eine Destination entschieden haben, wird eine Reiseagentur kontaktiert. Oftmals vergeblich, denn viele Agenturen bieten keine Zielgebiete an, wo es nur Wildnis und keine einzige Straße gibt. In den letzten Jahrzehnten haben sie jedoch immer einen Weg gefunden, an ihr gewünschtes Ziel zu kommen. „In Laos wollten wir zum Beispiel nicht die gängigen Touristenrouten abfahren. Stattdessen haben wir uns vorgenommen, an die Grenze zwischen China und Burma zu fahren, da wir dort noch ursprüngliche Völker vermuteten.“ In diesem Gebiet gab es allerdings weder befahrbare Wege noch Ortsschilder. Zuerst schien das Vorhaben aussichtslos. Doch dann hat der Manager der Reiseagentur in Laos Lust bekommen, den Trip mit den Högers durchzuführen. „Wir sind dann mit einem chinesischen GPS-Gerät losgefahren und mussten natürlich auch das ein oder andere Mal zurücksetzen, da die Wege zum Wenden zu schmal waren“, erzählt Carl-Uwe Höger und lacht.

Ebenso knifflig war eine Tour durch Äthiopien. Vor zwei oder drei Jahren wollten sie zu dem Volksstamm der Bodi im südlichen Teil des Landes reisen. Dafür mussten sie durch ein Gebiet fahren, in dem gerade Krieg zwischen zwei Stämmen herrschte. Bammel habe sie dabei schon gehabt, sagt Helga Höger. Außer solcher Konflikte einheimischer Volksgruppen oder Autofahrten durch die Wildnis bedeuten die Abenteuerreisen oft auch kulinarische Herausforderungen. In Laos gab es zum Beispiel Blutsuppe. „Ich esse eigentlich alles, aber Innereien, Ratten, Hunde oder Insekten nicht“, sagt die 74-Jährige. Trotz ungewohnter Mahlzeiten und klimatischer Bedingungen haben Högers fast jede Reise ohne gesundheitliche Beschwerden überstanden. Einmal erlitt Carl-Uwe Höger jedoch eine schwere Lebensmittelvergiftung mit über 40 Grad Fieber und musste einen Arzt in Äthiopien aufsuchen. Als dieser seine Behandlung abgeschlossen hatte und er für die Untersuchung bezahlen wollte, lehnte der Arzt ab. Er begründete dies damit, dass Deutschland schon viel für Äthiopien getan habe. „Wir spendeten dann etwas für sein Hospital.“ Um Erkrankungen vorzubeugen, informieren sich die Eheleute vor ihren Reisen immer über mögliche Gesundheitsrisiken im Reiseland. „Natürlich haben wir alle erforderlichen Impfungen, wie sie für Fernreisen empfohlen werden. Zusätzlich sind wir wegen unserer Afrikareisen gegen Gelbfieber und Tollwut geimpft“, sagt Carl-Uwe Höger. Die gutsortierte Reiseapotheke ist bei ihren Abenteuern immer dabei. „Wir haben im Ausland immer ein Breitbandantibiotikum und Einwegspritzen dabei, letzteres natürlich im Reisegepäck.“

Warum sie trotz gefährlicher Routen, gewöhnungsbedürftiger Mahlzeiten und mangelndem Komfort ihre individuellen Reisen dem bequemen Pauschalurlaub vorziehen, hat verschiedene Gründe. Reisen in touristisch unerschlossene Länder ist ihr gemeinsames Hobby. Darüber hinaus wollen sie den Leuten vor Ort etwas Gutes tun.

Patenschaft für Waisenhaus

Vor einer Reise in den westafrikanischen Staat Benin haben Högers zum Beispiel erfahren, dass dort dringend Brillen gebraucht werden. Die Eheleute haben deshalb vor ihrer Reise bei einem Optiker in Bad Cannstatt 23 Kilogramm Brillen organisiert und so den Menschen in Benin eine große Freude gemacht. Ebenso ist aus einem ihrer Trips nach Indien eine bereits 15 Jahre andauernde Patenschaft für ein Waisenhaus entstanden. In Deutschland berichten der ehemalige IT-Manager und die pensionierte Polizeibeamtin zweimal im Jahr in Vorträgen mit Dokumentarfilmen über ihre Abenteuer. Auf den Reisen fotografiert Helga Höger, während ihr Mann, der früher schon mit Super-8-Kameras gefilmt hat, die imposantesten Eindrücke mit der Videokamera festhält. „Uns ist es wichtig, den Menschen daheim zu vermitteln, wie es auf der Welt aussieht“, sagt Carl-Uwe Höger. Nächstes Jahr feiern die beiden Goldene Hochzeit. Wohin dann die Reise geht, ist noch unklar.