Inge Jens signierte nach ihrem Vortrag ihr Buch. Foto: Rehberger Quelle: Unbekannt

(ede) - Zehn Jahre lang hat sie ihren an Demenz erkrankten Mann versorgt, bis er im Juni 2013 starb. Über ihre Erfahrungen, die sie in Briefen niederschrieb und im Buch „Langsames Entschwinden“ veröffentlichte, berichtete Inge Jens im Verwaltungsgebäude.

„Das Thema Demenz wird unsere Gesellschaft mehr und mehr beschäftigen“, sagte Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler zur Eröffnung der Veranstaltung der Initiative Demenzfreundliches Bad Cannstatt. Die Erfahrungen und Erlebnisse der inzwischen 90 Jahre alten Inge Jens sollten als Bereicherung dienen. Denn auch die promovierte Inge Jens kann mit Sprache umgehen und versteht es, sich treffend auszudrücken. Ihr Mann, der wortgewaltige Rhetorikprofessor Walter Jens, ihr Widerpart in der intellektuellen Auseinandersetzung konnte am Ende nicht mehr lesen, schreiben und sprechen.

Inge Jens beschrieb die erlebte „große Unwissenheit“ im Krankenhaus. Das Personal sei zwar fürsorglich gewesen, aber unsicher im Umgang mit dem dementen Patienten. Sie hatte das Glück, ein hervorragendes Team um sich gehabt zu haben. „Ohne die zwei engagierten Pflegekräfte wäre es mir nicht möglich gewesen, meinen Mann zuhause zu betreuen.“ Die ersten Jahre habe sie es noch alleine bewältigt, hatte hilfsbereite Nachbarn. Die letzten drei Jahre hatte die Pflegerin, die einen sehr guten Draht zu ihrem Mann hatte, in der Einliegerwohnung im Haus gewohnt. So konnte Inge Jens zwei bis drei Stunden täglich für sich sein. Die Pflegerin sei unaufgeregt, liebevoll, ruhig und engagiert gewesen. „Ein Glücksfall.“

Inge Jens hat in dieser Zeit Briefe an Freunde, Bekannte und auch Unbekannte geschrieben, die bei ihr um Rat gefragt haben. Beim Durchsehen der Dateien auf dem PC hat sie festgestellt, dass das Thema von grundsätzlicher Bedeutung war. Die Briefe berichten vom unaufhaltsamen Verfall ihres Mannes, aber auch über ihre Veränderung, die sie durchgemacht hat. „Der Verlust des Partners, der zwar noch lebt, aber dennoch für immer entschwunden ist, hinterlässt tiefe Spuren.“ Abertausenden von Betroffenen gehe es ähnlich.

Es sei sehr schwer gewesen, Zugang zu ihm zu finden und die unterschiedlichen Stimmungen zu ertragen. Unterhaltungen seien zum Ratespiel geworden. „Worte und Inhalte waren nicht identisch.“ Kein Außenstehender vermochte zu sagen, wie es ihm geht. Mit einem Mann zusammenzuleben, der einmal ihr Mann gewesen war, sei gewöhnungsbedürftig gewesen. „Ich war für das Gewesene sehr dankbar.“ Demenz sei eine „merkwürdige Krankheit, die etwas anderes aus den Menschen macht“. Zeit seines Lebens setzte sich Walter Jens für ein selbstbestimmtes Ende ein. „Er wollte nie so leben.“ Aber er habe dennoch Freude empfunden, also hätten sie den Zeitpunkt verstreichen lassen. „Ich habe versucht, ihm die Situation so erträglich wie möglich machen.“