Viele wild herumgeworfene Arme: der zeitgenössisch-freie Tanz „Antitesi“ von Andonis Foniadikis. Foto: Alfredo Anceschi Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Ludwigsburg - Das Aterballetto, ein langjähriger Gast in der Tanzreihe des Ludwigsburger Forums am Schlosspark, hat sein Image verändert. Die moderne Ballettkompanie aus dem italienischen Reggio Emilia, traditionsreicher Exportartikel Italiens und eine der wenigen Tanzkonstanten des Landes, war jahrelang durch Mauro Bigonzettis Werke geprägt. Der auch in Stuttgart wohlbekannte Choreograf hat langsam Abschied genommen, zunächst als Direktor und jetzt auch noch als Lieferant von modernen Balletten: Derzeit tanzt die Kompanie nur noch Werke von anderen, größtenteils jungen Künstlern. Bigonzetti stieg im Frühjahr zum Ballettdirektor der Scala auf und ist letzte Woche nach nur acht Monaten schon wieder zurückgetreten: Obwohl er immerhin noch modernes Ballett choreografiert, liegt sein Fall damit ähnlich wie der in Berlin, wo sich eine klassische Kompanie gegen eine zu moderne Chefin wehrt, in diesem Fall gegen die ganz ohne Ballettgrundlage arbeitende Sasha Waltz.

Bandbreite hinter dem „Lego“

Das Aterballetto wagt den Schritt in eine Bigonzetti-freie Zukunft mit jungen, vor allem italienischen Choreografen. Einer von den beiden, die in Ludwigsburg auf dem Programm standen, ist ebenfalls in Stuttgart bekannt: Giuseppe Spota war zwar nur ein Jahr bei Gauthier Dance im Theaterhaus, aber seine Persönlichkeit blieb im Gedächtnis, auch als er später bei Stephan Thoss in Wiesbaden zu choreografieren begann. Sein „Lego“ nimmt sich nicht etwa die bunten Bauklötzchen zum Motto, sondern sucht nach den Menschen, die durchs Raster fallen, die keinen Anschluss finden. Zu einer dunklen Musikcollage aus elektronischem Minimalismus und altertümlichem Gesang setzt Spota einen ewigen Wandel mit zufälligen Strukturen, kurzen Verbindungen und ständigen Abschieden in Gang. Die anfänglichen Projektionen - weiße Pixel setzen sich auf schwarzem Grund zu Stadtskeletten zusammen, um im nächsten Moment wie Flugsand über den Tänzern zu zerstäuben - weichen bald, es bleibt eine Gruppe einzelner Individuen, die sich wie Versprengte finden und doch nicht finden.

Spota sucht die Verbindung zwischen den Menschen: das italienische „lego“ heißt sowohl „ich verbinde“ wie auch „ich vererbe“, als Leitmotiv kehrt immer wieder ein in der Bewegung gefrierendes Laufen zurück. Die moderne, ganz auf expressive Bewegung setzende Sprache behält letzte Reste eines fließenden Ballettstils und setzt sonst stark auf zeitgenössische Akzente. Das Stück steigert sich in eine seltsam drückende Stimmung von dunklem Fatalismus.

Reichlich Gegensätze

Auch der Grieche Andonis Foniadikis huldigt eher dem zeitgenössisch-freien Idiom als irgendeiner klassischen Rest-Ordnung. Seine Spezialität sind wild herumgeworfene Arme, die weder klassisch gerundet noch Forsythe-mäßig gerade hinausgestreckt werden, sondern zombiemäßig in der Gegend herumschießen. Foniadikis versammelt im stark episodischen „Antitesi“ zwar reichlich Gegensätze: stille Barockmusik gegen schrille Elektronik, Dunkel gegen Hell, klar konturierte Lichtobjekte gegen verwaschene Flimmereffekte. Allein der Tanz bleibt durchweg gleich, ein wild-hektischer Stil, der auf Dauer etwas exaltiert wirkt. Nach guter alter Sitte manipulieren Männer die Frauen, verbiegen oder spreizen sie, ziehen sie auf dem Boden herum. Anders als Spotas Stück wirkt das auf die Dauer recht vordergründig, es fehlt der dunkle Atem, die zweite Ebene.

Die nächsten Tanzgastspiele in Ludwigsburg: Ballettgala der Tanzstiftung Birgit Keil von 11.-13. November, Danza Contemporánea de Cuba am 26. November

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