Von Verena Großkreutz

Stuttgart - Martin Luther mochte Pauken und Trompeten nicht. Das sei „himmlisches Feld-Geschrei“, ja scheußliches „Gottes-Ehr-Schreien“. Luther erfand das evangelische Kirchenlied, er sang selbst leidenschaftlich gern. Gemäß seinen Vorurteilen gegenüber anderem Instrumentarium begleitete er sich dabei mit einem Leisetreter: der Laute. Johann Sebastian Bach war da ganz anderer Meinung. Als einer, der sein Publikum stets bei der Stange halten wollte, richtet sich die Besetzung des Orchesters immer nach seiner bildhaften Musiksprache. Und da eignen sich Pauken und Trompeten ganz hervorragend als Symbol für die Macht Gottes und seines Sohnes, und speziell die Fanfaren der Trompete stehen für den aktiven Kampf gegen Glaubensfeinde. Von daher hätte Bach einen Teufel getan, in seiner Reformationskantate BWV 126 auf eine Trompete zu verzichten, die dann auch folgerichtig den Worten „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort, / und steur’ des Papsts und Türken Mord, / die Jesum Christum, deinen Sohn / stürzen wollen von seinem Thron“ mit ihrem drohenden, schneidenden Ton besonderen Nachdruck verleiht.

Zu hören war die Kantate jetzt in der Stuttgarter Liederhalle, wo die Internationale Bachakademie (IBA) am Wochenende ihre Abo-Saison eröffnete. Der Beethovensaal war nur halb gefüllt. Vielleicht sind Kantatenprogramme, die die IBA sonst in ihrer Bachwoche platziert, für ein Abonnement-Konzert doch zu wenig populär - auch wenn man an diesem Abend einen Vorgeschmack auf das Reformationsjubiläum bekam: 2017 jährt sich zum 500. Mal Martin Luthers Wittenbergische 95-Thesen-Anschlagung.

Quirlig und geschmeidig

IBA-Musikchef Hans-Christoph Rademann hatte mit seinem Ensemble Gaechinger Cantorey inklusive des neu gegründeten Barockorchesters Werke einstudiert, in denen Bach Luther-Lieder verbraten hat: neben besagter Reformationskantate auch noch die „Lutherische“ Messe BWV 236, außerdem die Kantate „Gott, der Herr, ist Sonn und Schild“ BWV 79.

Gut gelaunt befeuerte Rademann die Musizierenden mit torpedierender Gestik. Außer ein paar Hörner-Misstönen ging nichts schief in dem oft extrem komplexen, wohlstrukturierten, mehrstimmigen Gewusel der einzelnen Nummern wie dem Gloria der Missa Brevis BWV 236. Quirlig und geschmeidig sorgten die Streicher - angeführt von Konzertmeisterin Nadja Zwiener - für die kräftige, sichere, lebendige Grundierung. Die Arbeitsbienen des Orchesters - ihre Geigen mit leichten Barockbögen traktierend - verloren auch im horrend schnellen Tempo des „Cum Sancto Spiritu“ der Missa ihre genaue und sprechende Artikulation nicht aus den Augen. Homogen und klangschön fügte sich der Chor ein. Und auch die Gesangssolisten überzeugten meist: Der junge isländische Tenor Benedikt Kristjánsson erfreute vor allem durch sein feines helles Timbre, geriet bei den Koloraturen aber zu sehr unter Druck. Bass Tobias Berndt gelang dagegen letzteres ganz hervorragend, ihm fehlte es aber ein wenig an weittragendem Volumen. Rundum bemerkenswert dagegen gestalteten sich die Auftritte von Altus Benno Schachtner, dessen hohe Stimmlage rein, warm und klar erblühte. Sein Duett „Domine Deus“ mit Sopran Dorothee Mields darf getrost unter der Rubrik „Highlight des Abends“ verbucht werden.