Von Dagmar Weinberg

Er kannte Johannes Brahms. Clara Schumann, Hans von Bülow sowie andere renommierte Vertreter der romantischen Musik förderten ihn. Und schließlich wurde Robert Kahn, dessen Werke am Sonntag, 24. Juli, im Esslinger Theodor-Rothschild-Haus zu hören sein werden, als Komponist selbst berühmt. Der 1865 in Mannheim geborene Sohn eines angesehenen jüdischen Kaufmanns studierte Musik an der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin und lehrte dort ab 1894 als Dozent. 1916 ernannte ihn die Preußische Akademie der Künste zum Mitglied.

Nachdem die Nationalsozialisten den damals 73-jährigen Robert Kahn, der mit Christian Morgenstern und Gerhard Hauptmann befreundet war, aus der Heimat vertrieben hatten - der Komponist emigrierte nach England - verschwanden seine Werke aus den Konzertprogrammen. Kahn hinterließ ein riesiges Werk, das jedoch in Vergessenheit geriet.

„Auch ich hatte noch nie von dem spätromantischen Komponisten gehört, bis ich in Feldberg in Mecklenburg auf seine Spuren stieß“, sagt Cat Lustig, die an der Musikhochschule Hamburg Klavier und Dirigieren studiert und als freiberufliche Chorleiterin, Pianistin sowie Klavierlehrerin arbeitet. In dem mecklenburgischen Ort hatte Robert Kahn sein Sommerhaus, das er auch als Alterssitz nutzen wollte. Heute wird das Haus in Feldberg als Jugendherberge genutzt.

Texte von Christian Morgenstern

Die Hamburger Musikerin folgte den Spuren des Komponisten und stieß in der Berliner Staatsbibliothek schließlich auf umfangreiche Notenbestände Robert Kahns, der im Exil weiter komponiert hatte und 1951 starb. Neben rund 1200 Klavierstücken weckten vor allem die Chorwerke des verjagten jüdischen Komponisten das Interesse von Cat Lustig. Sie stellte ein Konzertprogramm zusammen und gründete mit 20 Mitgliedern von Hamburger Spitzenchören den Robert Kahn Chor.

Bei dem Konzert im Theodor-Rothschild-Haus wird eine Auswahl von Kahns Kompositionen für Chor, Sopran und Klavier geboten, unter anderem nach Texten von Christian Morgenstern, Conrad Ferdinand Meyer und Paul Heyse. In dem Konzert wechseln sich leichtfüßige, charmante, eher volkstümliche Sätze mit romantisch-verklärten und getragenen Stücken ab. „Nicht alle sind tot, die begraben sind“, heißt es in einem der Werke Robert Kahns. „Das könnte als Motto über dem Abend stehen“, sagt Cat Lustig. Zwischen den Musikstücken werden kurze Texte zu Leben und Werk des jüdischen Komponisten gelesen, die einen Einblick in die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge geben.

Das von Cat Lustig initiierte Chorprojekt „Verehrt - Verjagt - Vergessen“ macht am Sonntag, 24. Juli, in Esslingen Station. Der Verein Denk-Zeichen lädt in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt, dem Theodor-Rothschild-Haus, der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg und dem Verein Freunde jüdischer Kultur zu dem Konzert ein, das um 18 Uhr im Rothschildhaus, Mülbergerstraße 146, beginnt.

Familiäre Wurzeln in der region

Cat Lustig wurde in Washington geboren. Die familiären Wurzeln der Chorleiterin, Pianistin und Dirigentin liegen aber in der Region. Die Musikerin ist die Großnichte der Stuttgarter Fabrikanten Artur und Felix Löwenstein, die 1919 in Mössingen das Textilunternehmen Pausa gegründet hatten. Die Familie Löwenstein wohnte damals in der Stafflenbergstraße 38 in Stuttgart. Die Nationalsozialisten zwangen die jüdischen Eigentümer 1936, ihren Betrieb weit unter Wert zu verkaufen. Dass Felix Löwenstein gemeinsam mit seiner Frau Helene und Tochter Doris nach England emigrieren konnte, ist Cat Lustigs Großmutter Beatrice, Schwester von Artur und Felix Löwenstein, zu verdanken. Beatrice war mit dem Stuttgarter Volkswirtschaftler Adolph Löwe verheiratet, der schon früh mit seiner Familie nach Manchester geflohen war und später in die USA zog. Das Haus der Familie Löwenstein in Stuttgart ist heute übrigens Domizil der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.