Von Verena Großkreutz

Stuttgart - Dima Slobodeniouk tänzelt. Elegant und weich sind die Bewegungen des Dirigenten, und eckig, wenn er Präzision einfordert. Der sehr bewegliche und bewegte Dirigierstil des Russen passt gut zum Programm des zweiten Abonnementkonzerts des frisch fusionierten SWR Symphonieorchesters, das an diesem Abend im gut besuchten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle vor allem rhythmisch und motorisch befeuerte Werke spielt. Das Programm ist dabei dramaturgisch gut durchdacht und stimmig. Im Zentrum steht Carl Maria von Webers Konzertstück für Orchester und einen Klaviervirtuosen von 1821. Darüber haben dann zwei Große des 20. Jahrhundert Musik geschrieben: Paul Hindemith 1944 in seinen Sinfonischen Metamorphosen nach Themen von Carl Maria von Weber und Igor Strawinsky 1928/29 in seinem Capriccio für Klavier und Orchester.

Harmonie mit dem Dirigenten

Für die geballte Power, die Hindemith in seinen Metamorphosen fordert, sind gut 100 Musizierende nötig. Ein Stück also, das gut geeignet ist für das SWR Symphonieorchester, das mit 175 Mitgliedern derzeit das größte deutsche Konzertorchester ist - bis dann irgendwann die verordnete Größe von 119 Orchestermitgliedern und das Sparziel von fünf Millionen Euro im Jahr erreicht sein wird. Das Orchester harmoniert gut mit dem Dirigenten Dima Slobodeniouk, der in den Metamorphosen den Spannungsbogen vom Tutti-Getöse über Nebelschleierklänge, über denen sich zwitschernder Flötengesang entfaltet, und finalem Marsch straff hält. Überhaupt die Flöten: Die haben in den Werken des Abends so manches fantastisches Solo.

In Strawinskys Capriccio hat der russische Pianist Alexei Volodin seinen ersten Auftritt, hüpft wendig auf die Bühne, wie Slobodeniouk um die vierzig. Eine echte Arbeitsbiene an den Tasten: quirlig stürzt er sich in die meist rasend schnellen Bewegungsabläufe. Die Verzahnung mit dem Orchester, seine Dialoge mit den Solobläsern glücken - bei aller Aufgeregtheit der Musik. Strawinsky parodiert hier Webers Konzertstück, in dem er dessen virtuosen Gestus ins motorisch Etüdenhafte wendet: quecksilbrig, perkussiv, monoton.

Energiegeladene Bearbeitung

Auch im Original, in dem Weber von den Gefühlen einer Burgfrau erzählt, deren Gatte am Kreuzzug teilnimmt, beeindruckt Volodin neben schön ausgespielten rezitativischen Espressivo-Passagen durch energiegeladeneund deftige Bearbeitung des virtuosen Materials - ob Fortissimo-Glissandi oder rauschend-brillantes Presto. Für das Orchester - unterfordert wie so oft in virtuoser Literatur - geht es hier vor allem um saubere Punktlandungen. Der große Auftritt für das SWR Symphonieorchester folgt dann in Strawinskys Ballett-Burleske „Petruschka“ und ihrer grotesken Puppenwelt russischer Gauklertheater. Slobodeniouk zeigt der Hundertschaft an Musizierenden genau, was er will: Klare Konturen und Strukturen, harte rhythmisch-metrische Wechsel, grelle Gegensätze, was die Voraussetzung ist für die plastische Darstellung der komponierten derbkomischen Kontraste. Das reißt mit, und das Publikum ist beglückt.