Von Thomas Krazeisen

Esslingen - Wie der alttestamentarische Gottesmann Hiob muss sich im gleichnamigen Roman von Joseph Roth der jüdische Lehrer Mendel Singer harte Proben in seinem Leben gefallen lassen. Der „ganz alltägliche Jude“ aus einem ostgalizischen Dorf hat Frau und vier Kinder, die dem Familienvater allerdings nicht nur Freude bereiten. Die beiden ältesten Söhne müssen zum Militär, wobei der jüngere der beiden desertiert und schließlich nach Amerika auswandert. Das hübsche Töchterlein macht einem Kosaken schöne Augen - und nicht nur ihm. Und der jüngste Spross ist behindert; er leidet an Epilepsie, und ob er je ein normales Leben würde führen können, erscheint lange Zeit mehr als ungewiss. Die schwere Erkrankung des jüngsten Bruders und die enge Beziehung der Mutter zu ihm belasten zunehmend auch das Verhältnis zu den drei älteren Geschwistern, die sich um ihn kümmern, dabei aber schon mal sehr grob werden können. Auch das Eheleben leidet unter dem kargen Provinzalltag. Frischer Wind kommt in die Geschichte, als die Familie dem zweitältesten Sohn folgt und ebenfalls in die USA ausreist. Doch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird Mendels Familie im Ersten Weltkrieg auf furchtbare Weise dezimiert: Der eine der beiden Söhne, die sich zum Kriegsdienst gemeldet haben, fällt, der andere wird als vermisst gemeldet. Mendels Frau stirbt über diesen Schicksalsschlägen, die Tochter wird psychisch krank.

Doch der Tiefpunkt ist auch ein Wendepunkt - „aus dem November- wird ein Dezemberstück“, wie Christof Küster, der diesen „Hiob“ an der Esslinger Landesbühne inszeniert (die Premiere beginnt heute Abend um 19.30 Uhr), erläutert: Am Ende widerfährt dem leidgeprüften und mit seinem Gott wie der biblische Protagonist hadernden Mendel ein fast schon weihnachtliches Wunder, als er plötzlich seinem leibhaftigen, in der russischen Heimat zurückgebliebenen Sohn gegenübersteht. Aus diesem ist ein erfolgreicher Musiker geworden. Küster, für den es die vierte Inszenierung an der WLB ist, möchte verschiedene Themen des 1930 erschienenen Romans zum Klingen bringen, die durchaus aktuell sind, wie Heimatverlust und Integration oder die Frage nach dem Bösen in der Welt. Gespielt wird an der WLB die 2008 an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt Theaterfassung von Koen Tachelet.

Die „Hiob“-Premiere beginnt am heutigen Samstagabend um 19.30 Uhr im Esslinger Schauspielhaus.