Stumpfe Klanggewalt: Volbeat in der Schleyerhalle. Foto: Mike Kunz Quelle: Unbekannt

Von Michael Setzer

Stuttgart - Nur ein paar Stunden zuvor an gleicher Stelle: ein offenkundig betrunkener Mann brüllt missmutig „Rock’n’Roll, Alda!“ in Richtung der Bühne und rutscht dann in der Pfütze seines verschütteten Bieres aus. Das war beim The-Cure-Konzert, und vermutlich wäre er bei Volbeat besser aufgehoben gewesen. Denn das dänische Quartett spielt Musik, zu der man problemlos etwas Bier verschütten kann.

„Hoi - Hoi - Hoi“, versucht Sänger und Gitarrist Michael Poulsen die 12 000 Zuschauer in der ausverkauften Schleyerhalle zu animieren. Es gibt schwierigere Jobs, denn bereits beim ersten „Hoi“ blickt Poulsen auf ein Meer aus Fäusten und spaßbereite Fans, die auch „Wurstsalat“ gebrüllt hätten, wenn er freundlich darum gebeten hätte.

Das Missverständnis, Volbeat sei „Rockabilly Metal“ oder gar der Johnny Cash und Elvis des Heavy Metal, fegt das dänische Quartett bereits mit dem ersten Tönen vom Tisch - es sei denn, man möchte Cash, Presley und Rockabilly tatsächlich auf eine gut sitzende Frisur herunterrechnen, denn damit wären bereits die Gemeinsamkeiten aufgezählt.

Die Kraft von „The Devil’s Bleeding Crown“ oder „Heaven Nor Hell“ liegt in der inhaltlichen Verknappung beziehungsweise darin, Heavy Metal, Punk und Rock‘n‘Roll auf den wirklich kleinsten Nenner herunterzubrechen: Schmiss, Druck, Alltagsflucht, Party und unwirtliche Lautstärke. Rockabilly oder Country fungieren hier höchstens als lässiges Accessoire.

Populistisch im besten Sinne

Die stumpfe Brachialgewalt, mit der Volbeat beispielsweise „I Only Wanna Be With You“ von Dusty Springfield oder „Sad Man’s Tongue“ in die Halle prügeln, gleicht jemandem, der mit dem Vorschlaghammer ins Bierzelt marschiert und fragt, wo denn bitteschön die Party stattfindet. „Let’s Boogie“ steht auf den Tourshirts der Band - und Volbeat halten sich exakt ans Menü.

Mit glockenheller Stimme haut Poulsen ein ums andere Mal seine hymnischen Lieder über miese Zeiten, echte Liebe, Durchhalten, Sich-treu-bleiben und Kein-Arsch-sein in die Halle - populistisch im besten Sinne und fast schamlos eingängig.

Ob „Slaytan“, das starke „Seal The Deal“ oder eine Hommage an den vor exakt einem Jahr verstorbenen Brandon Carlisle, Drummer der US-Punkband Teenage Bottlerocket: Volbeat halten die positiven Gefühle hoch wie einen Pokal. Denn keiner braucht einen Stinkstiefel auf der Party - lieber noch einen Refrain, möge er auch kurz vor Schlagermusik sein.

Torten für das Geburtstagskind

Poulsen genießt das sichtlich und läuft immer wieder über die erhöhten Bühnenrampen, um das Ausmaß seiner Feier besser überschauen zu können. Und irgendwann ist auch unerheblich, dass der 41-Jährige fast ausschließlich deckungsgleiche Lieder schreibt. Das hier ist eventorientierte Gebrauchsmusik , Kumpelrock, und der sympathische Hüne lebt das vollkommen aus.

Nach knapp 90 Minuten bekommt Gitarrist Rob Caggiano mehrere Torten ins Gesicht. Das hat sich der frühere Gitarrist der Thrash-Metal-Legende Anthrax redlich verdient: So etwas passiert, wenn man seinen 40. Geburtstag auf der Bühne verbringt. Alles Gute!