Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - Wie eine thematische Fortsetzung des gerade zu Ende gegangenen Musikfests Stuttgart wirkte das erste Konzert der Cannstatter Reihe „Musik am 13.“ in der neuen Saison: waren dort in Bach-Kantaten und Händel-Oratorium Gegenentwürfe zum flüchtigen Leben im materiellen Reichtum präsentiert worden, so preisen Georg Friedrich Händels „Neun deutsche Arien“ die schöpferische Natur und ihre belebende Wirkung auf den Menschen. „Die ihr aus dunklen Grüften / den eitlen Mammon grabt, / seht, was ihr hier in Lüften / Für reiche Schätze habt“ heißt es in der vierten Arie, die Händel auf Gedichte des Hamburger Ratsherren Barthold Heinrich Brockes um das Jahr 1725 komponierte.

Einige Jahre zuvor war dessen Gedichtsammlung „Irdisches Vergnügen in Gott“ erschienen und motivierte den in England gefeierten Schöpfer prachtvoller italienischer Opern offenbar zu dem kammermusikalisch intimen Zyklus im Geist der Aufklärung und Empfindsamkeit. In der spätgotischen Stadtkirche Bad Cannstatt brachte Jörg-Hannes Hahn nun die „Neun deutschen Arien“ mit einigen Spezialisten der internationalen Barockszene zur Aufführung. Der an der Schola Cantorum Basiliensis ausgebildete amerikanische Oboist Alek Fester und der Geiger Daniel Deuter, die mit vielen renommierten Originalklang-Ensembles musizieren, wechselten sich in der konzertierenden Begleitung ab, der Cellist Alexander Scherf bildete zusammen mit Hahn am Cembalo und Orgelpositiv das harmonische Basso-Continuo-Fundament.

Souveräne Interpretin

In den durchweg als Da-Capo-Arien komponierten Stücken sieht Händel im wiederholten A-Teil sparsame Verzierungen und leichte melodische Veränderungen vor, die von der Sopranistin Marie Friederike Schröder gebührend eingesetzt wurden. Die mit dem Leipziger Bachpreis 2008 ausgezeichnete Sängerin hat den Zyklus gerade auf CD eingespielt und erwies sich als souveräne Interpretin der Stücke, deren vokalischer Klang sich im Kirchenraum mit leichtem Nachhall entfaltete. Lag es an dieser akustischen Besonderheit oder an Schröders phrasierendem Verständnis: große Nuancen in der Gestaltung gab es nur selten, die lineare Schönheit von Marie Friederike Schröders strahlendem Sopran dominierte.

In der Arie „Singe, Seele, Gott zum Preise“ machten Sängerin und konzertierende Violine die Erfahrung der Natur mit allen Sinnen musikalisch eindrucksvoll anschaulich, zu „Das zitternde Glänzen der spiegelnden Wellen“ schufen Oboe und Violine für Schröders Vortrag den klingenden Rahmen. Zwischen die Arien stellte Jörg-Hannes Hahn, passend zu ihrem Ausdruckscharakter, zwei instrumentale Frühwerke Händels, sein Trio in c-Moll für Oboe, Violine und Basso continuo, sowie die Sonate g-Moll op.1 Nr.6. Sie wurden ebenso farbig und exquisit musiziert wie das Schlussstück der „Neun deutschen Arien“: mit ihrem Lobpreis der Zufriedenheit im inneren Anblick der Natur wurde Brockes’ lyrische Stimmung greifbar: „Süße Stille, sanfte Quelle ruhiger Gelassenheit / Selbst die Seele wird erfreut, / Wenn ich mir nach dieser Zeit arbeitsamer Eitelkeit / Jene Ruh vor Augen stelle, / Die uns ewig ist bereit.“