Die Türen sind Trennwand und Tor, sind von innen anders als von außen und entziehen sich dem Blick. Folien hängen teilweise wie unfertig in Fetzen und erinnern doch an das Versprechen von Unendlichkeit.

Von Elke Eberle

Stuttgart - Alle drei denken, arbeiten und agieren in vielen Schichten, auf verschiedenen Ebenen, alle drei arbeiten mit dem Raum, sie ziehen ihre Umgebung ins Bild hinein oder erweitern das Bild in den Raum. Aus mehr als 30 Vorschlägen hat eine Jury drei Künstlerinnen ausgewählt und für den Kubus.Sparda-Kunstpreis im Kunstmuseum Stuttgart 2017 nominiert. Es sind Leni Hoffmann, Myriam Holme und Corinne Wasmuht. Vergeben wird der Preis an einen Künstler, eine Künstlerin mit Bezug zum Land Baden-Württemberg. Das Thema in diesem Jahr lautet „Erweiterte Malerei“, jede der drei Künstlerinnen bespielt nun ein Stockwerk im Kunstmuseum.

Ganz oben, in einem Raum aus Licht, hat Leni Hoffmann Knete in drei Farben und großen Ellipsen ausgelegt, „under milkwood“ steht in der Tradition einer klassischen Leinwand, doch liegt die Arbeit ausgebreitet auf dem Boden und wird erst fertig sein, wenn der letzte Besucher am letzten Ausstellungstag seine Fußabdrücke hinterlassen hat. Die pastellenen Farben reflektieren sich selbst hinauf zur Decke. Unten ist so auch ein bisschen oben. Schwungvolle Abdrücke ihres Daumens hat sie selbst auf drei mit Knete überzogenen Glastüren hinterlassen. Die Türen sind Trennwand und Tor zugleich, sind von innen anders als von außen und entziehen sich immer wieder flugs dem Blick. Hoffmann wurde 1962 in Bad Pyrmont geboren, sie lebt in Düsseldorf und ist Professorin für freie Malerei und Grafik an der Kunstakademie in Karlsruhe. Ihre Interventionen sind partizipativ, oft weder opulent noch groß, aber bis ins Detail durchdacht. Eine fortlaufende, sich immer neu erweiternde Arbeit ist „pizzicato“. Die gesamte Auflage einer Tageszeitung überzieht sie während des Druckes mit Farbe. Erstmals hat sie 1997 den Wiener „Standard“ mit einer unendlichen Streifenzeichnung markiert, sie war in Köln und Aachen, jetzt folgt die „Stuttgarter Zeitung“. Unterstützt wird sie in ihrer Arbeit in der Nacht des Druckes durch drei coop-Arbeiter, einen Fremden, das Bekannte und einen Amateur. Die Zeitungs-Unikate werden sich weltweit verbreiten, als nicht näher definierte Kunstwerke.

Alles hängt immer mit allem zusammen, auch in den Arbeiten von Corinne Wasmuht. Und auch sie ist Professorin an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, geboren wurde sie 1964 in Dortmund. Ihre großformatigen Arbeiten in Lasurtechnik sind im unteren der drei Stockwerke zu sehen. Meist nicht mehr als vier Arbeiten pro Jahr verlassen ihr Atelier, manchmal benötigt sie für eine Arbeit auch ein ganzes Jahr, fertig ist es erst, wenn es in ihren Augen ruhig ist. Die Tafelbilder sind nicht nur groß, sie bersten fast vor einer erzählerischen Fülle, Ebenen überschneiden sich unzählbare Male, werden durchbrochen, jedes Bild muss mit Mühe erobert werden, von ihr und vom Betrachter.

Früher entwickelte sie ihre Bilder aus papiernen Collagen, heute nutzt sie selbst gemachte Fotos und bearbeitet sie am Computer, so entstehen Vorlagen für ihre Bilder in Lasurtechnik auf Holz. Architektonische Versatzstücke, Natur, Licht und Gegenlicht, Menschen in Bewegung, wartend, gehend, hängend, in Transiträumen, auf Bahnhöfen und Flughäfen verbindet sie miteinander, alles wird zusammengehalten, durchdrungen von Flüchtigkeit, Anonymität und Geschwindigkeit. Sie verändert Größenverhältnisse und Perspektiven, verbindet Objektivität mit Subjektivität, Distanz mit Nähe, fügt konsequenterweise eine intime Welt zu einer öffentlichen etwa im Bild „Gate eleven“, zeigt Bilder einer turbulenten Welt, in der die verschiedenen Zeitebenen und Orte verschmelzen.

Myriam Holme wurde 1971 in Mannheim geboren, derzeit lebt sie wieder in Mannheim und hat einen Lehrauftrag an der Kunstakademie Düsseldorf. Sie erweitert ihre Malerei in den Raum hinein, sie ringt mit den Möglichkeiten von Materialien, interessiert sich für das Prozesshafte. Etwa in der Arbeit „glanzgewebtes dazwischen“ von 2017. Die Plastikfolien waren einst in ihrem Atelier ausgelegt, zum Schutz des Fußbodens. Dann behandelte sie sie in einem harten, langen Arbeitsprozess mit Schlagmetall. Die Folien überziehen Wand und Decke, hängen teilweise wie unfertig in Fetzen und erinnern doch an mittelalterliche Kirchenkunst und das Versprechen von Unendlichkeit. Sie zwingt immer wieder neu dem Material ihren Willen auf, mit Kraft und Chemie. Grenzen reizen sie, gefühlte und tatsächliche, Gegensätze fordern sie heraus, sowohl in der Materialität als auch in deren Form und Ausformung. Sie arbeitet mit Schnüren, Seife und Glas, mit Beize, Tusche und Farbpigmenten, mit Metallen und Alu, mit Organischem wie getrocknetem Bambus und mit dem Prinzip des Zufalls. Flüssige Seife etwa trägt sie dünn auf einen Bildträger auf, mit ihrem Daumen drückt sie im richtigen Moment des Erkaltens in die Oberfläche und wie eine zarte Zeichnung überziehen Risse in einer ganz eigenen Choreographie die Bilder. Sie schafft Kontextebenen und Assoziationsketten, sucht nach jenen Momenten, in denen Sprache an ihre Grenzen stößt und zwischen den Buchstaben Neues entsteht. Farben, Formen, Flächen dringen in ihren Arbeiten in den Raum ein, machen ihn zur Landschaft.

Die Gewinnerin des Preises wird am 30. Mai bekannt gegeben. Zusätzlich ist ein Publikumspreis ausgelobt, Teilnahmekarten liegen an der Kasse aus.

Bis 18. Juni, Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, freitags 10 bis 21 Uhr, an allen Feiertagen 10 bis 18 Uhr geöffnet.

www.kunstmuseum-stuttgart.de