Von Verena Großkreutz

Ludwigsburg - Man hätte denken können, man befinde sich auf der Hochzeit eines rumänischen Roma-Clans: So stürmisch fetzten der italienische Gambist Vittorio Ghielmi und seine Alte-Musik-Truppe Il Suonar Parlante unter dem Motto „Barbarische Schönheit“ durch die selbst zusammengestellte Suite aus neun folkloristischen Tanzsätzen barocker Komponisten. Schließlich waren auch zwei slowakische Folkmusiker mit von der Partie: „Zigeuner“-Geiger Stano Palúch und Zymbalist Marcel Comendant.

Im Konzert „Gipsy Barock“ bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen konnte man hören, dass im Barock auch an den Höfen nicht immer nur steife Eleganz und Etikette den Ton angaben, sondern gelegentlich das menuettgezähmte Tanzbein wild und ungestüm geschwungen wurde - vor allem in osteuropäischen Gefilden.

Besonders der stilistisch äußerst vielseitige Georg Philipp Telemann kannte sich gut aus in den Nationalstilen des damaligen Europa, und so zuckte es dem einen oder anderen Zuhörer im Ordenssaal des Ludwigsburger Residenzschlosses wohl kräftig in den Beinen, als sein „Concerto polonoise“ anklang, in dem tanzwütige Taktwechsel virulent werden. In Telemanns „Hanaquoise“ entlockte dann Zymbalspieler Comendant seinem Zitherinstrument mit den Schlägeln orientalische Fantasien, und Stano Palúch gewöhnte die Ohren immer eindringlicher an die metrisch und rhythmisch komplexe Melodik des Ostens. In „La vielle“ imitierte Ghielmi den Klang einer Leier, und dabei wurde von den den Rhythmus schlagenden Generalbassisten kräftig eingeheizt. Quecksilbrig vorwärtspreschend verlieh die grandiose Blockflötistin Dorothea Oberlinger dem Ganzen stilecht und expressiv leuchtenden Glanz. Und faszinierend, wie selbstverständlich sich barockes Cembalogewusel mit klaren, einfachen, volkstümlichen Melodien und eben wieder den verzwirbelten Hackbrett-Soli Comendants verband.

Im Rest des Konzerts ging es freilich eher konventionell zur Sache, etwa in den Koloraturgesangseinlagen der Sopranistin Graciela Gibelli, einer sich etwas in die Länge ziehenden Da-capo-Arie aus der Oper „Didone abbandonata“ von Johann Adolf Hasse und der Arie „Solo per voi tra mille mille“ aus einer Telemann-Kantate. Und auch im äußerst virtuosen d-Moll-Violinkonzert von Frantisek Jiranek, in dem Alessandro Tampieri den deftig zugreifenden Teufelsgeiger gab, tat sich typischer Balkan-Furor nur in gelegentlichen Effekten kund, wie auch im Gambenkonzert von Johann Gottlieb Graun, in dem im Allegro das feine Spiel von Ghielmi mit schnell auf die Saiten prallenden Bögen rhythmisch garniert wurde. Im Eröffnungsstück, Telemanns Doppelkonzert für Blockflöte und Gambe, hatte man die slawische Grundierung noch durch ein deutlicheres Zeichen unterstrichen: durch die silbrige Farbe des Zymbaloms.