Von Eberhard Iro

Nürtingen - Wie brillant die Tremoli vorbeirasten! Dabei schien es, als meditiere der Gitarrist Rafael Cortés auf seinem Instrument, so in sich versunken eröffnete er am Samstag den Flamencoabend in der Nürtinger Stadthalle K3N. Der Essener Gitarrist mit andalusischen Wurzeln und starker Paco-de-Lucía-Prägung spielte rhythmisch präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. Später „tickte“ David Bravo auf der Cajon mit. Ab und an verirrte sich auf diese Hochgeschwindigkeitstrasse eine populäre Melodie, wurde aufgelesen und gekonnt verarbeitet. Doch nicht immer gelang Cortés, Eingängiges stilvoll mit Flamenco zu verbinden. In der zweiten Konzerthälfte blieb der Hochgeschwindigkeitszug manchmal - nicht nur für Flamencopuristen - im Seichten stecken. Was Cortés an Rasguado-Salven aus den Fingern ratterte, ratterte mit den Füßen die Tänzerin Rafaela Escoz aufs Podium, zelebrierte, abgesehen von der Mimik, gelungen das spanische Paradoxon geschmeidiger Härte. Die eingesprungene Sängerin enttäuschte etwas. Der Gitarrist Rafael Cortés junior hingegen trat mit einem Al-Di-Meola-Titel souverän aus dem Schatten seines Vaters.

„. . . und verirrten sich im Wald.“ Nein, nicht Hänsel und Gretel, sondern Jorinde und Joringel sind es im gleichnamigen, mehrfach ausgezeichneten musikalischen Märchen von Ute Kleeberg. Hochkarätig besetzt mit Wally Hase (Querflöte), Thomas Müller-Pering (Gitarre) und Stephan Baumecker (Sprecher) konnte man es bei der Sonntagsmatinee hören. Es gilt - wie auch sonst - einen bösen Zauber zu brechen. Joringel gelingt das kraft seiner Liebe zu Jorinde.

Musikerziehung par excellence

Dies die Moral der mit einem Potpourri illustrierten Geschichte, bei der J. Gossecs „Tambourin“ den Vorhang öffnete, zu De-Falla-Liedern Nebelschwaden aufzogen. Hases dunkler, voller Ton und Müller-Perings runder Anschlag ließen in das Märchen eintauchen, Baumeckers Erzählweise die Kinder an seinem Mund hängen. Musikerziehung par excellence.

Höhepunkt des Wochenendes war das Debüt der Südkoreanerin Kyuhee Park in der Kreuzkirche. Konnte man bei Domenico Scarlattis Sonate K32, die ihr durchweg hispanisches Programm eröffnete, noch einwenden, sie gehe Scarlatti zu romantisch an, spielte sie an K32 schon ihren großen Trumpf aus: glasklare Strukturen. Entsprechend gebannt lauschte das Publikum, wie sie nahezu ohne Lagenwechselgeräusche mit ebenmäßigem Ton die Themen anderer Scarlattisonaten fidel tänzeln ließ. Die Transkriptionen der Klavierwerke von Isaac Albéniz, mit denen einst Manuel Barrueco der Gitarrenwelt neue Maßstäbe setzte, sind für Park selbstverständliche Kür. Ihre Interpretationen von „Asturias“ oder „Córdoba“ waren durchdrungen von natürlicher Musikalität. Überzeugte Park auch bei der motorischen Rhythmik der Sonate Alberto Ginasteras, so schien sie doch am liebsten wie in Augustin Barrios Mangorés „Un sueño en la Floresta“ romantisch auf ihren Saiten zu träumen. Sie ist sicher nicht zum letzen Mal in Nürtingen.