Von Harry Schmidt

Stuttgart - Eine Tradition des Festivals kam in den vergangenen Tagen mehrfach zum Tragen: Gleich vier Jazzer von Weltrang feierten auf der Bühne der Jazztage ihren runden Geburtstag. Zur Feier seines 50. Jahrestags hatte sich der in Ulm gebürtige Trompeter Joo Kraus eine Schar illustrer Gäste eingeladen, um einen Abend zu gestalten, den er als „bunt wie der Elefant Elmar“ ankündigte. Ein Versprechen, das die Show im Stil einer Galavorstellung mühelos einlöste: Nicht nur der kubanische Pianist Omar Sosa, langjähriger Weggefährte von Kraus, Jazz-Funk-Saxofon-Legende Pee Wee Ellis und die Sängerin Malia überbrachten Glückwünsche in Form von Duetten, mit dem zehnköpfigen Kammerorchester Arcata Stuttgart war darüber hinaus eine Streicherkulisse geboten, die jede Nummer veredelt. Zudem erfuhr man mit „I Love You, Porgy“, wie nah Malia der Nina-Simone-Nachfolge mittlerweile gekommen ist. Mit Gregor Hübner schaute ein weiteres Geburtstagskind in spe als Überraschungsgast herein: Der in Stuttgart geborene, in der Zwischenzeit in New York ansässige Geiger darf in gut einem Monat auf ein halbes Jahrhundert zurückschauen. Mit dem New Yorker Pianisten Richie Beirach, der tags darauf zu seinem 70. Wiegenfest lud, verbindet Hübner ein langjähriges Duo, gemeinsam mit dem Trompeter Randy Brecker, ebenfalls ein Urgestein der New Yorker Jazzszene, Veit Hübner am Bass und Michael Kersting am Schlagzeug blickten sie auf die Karriere des Pianogiganten zurück.

Ein komplettes Dreivierteljahrhundert macht Tomasz Stanko im Sommer dieses Jahres voll. Den polnischen Blues vom Barhocker herunter abrufend, diktierte der Trompeter mal mit verhaltenem Legato-Spiel, mal mit auffahrender Hot-Intonation die Intensitätsskalen, die Musiker seines jungen polnischen Quartetts folgten ihm wie ein Schatten. Nicht aufeinander, miteinander reagierten die Protagonisten des Piano-Schlagzeug-Duos Wollny/Haffner: Die Augenhöhen-Begegnung der beiden derzeit avanciertesten deutschen Jazzmusiker gehört zum Aufregendsten, was das Genre zu bieten hat. Eine wiederum ganz andere Spielart des europäischen Jazz bot das „Alpenjazz“ getaufte Gipfeltreffen, unter anderem mit Andreas Schaerer, Christian Zehnder ud Andreas Martin Hofmeir. Bei der „Brit Jazz Night“ konnte man mit dem Soweto Kinch Trio einen jungen Saxofonisten und Vokalisten zwischen Free-Jazz und HipHop entdecken, beim Neil Cowley Trio eine Quersumme aus E.S.T., Rock und Neuer Musik. Fabelhaft die Vorstellungen des Ensemble 11 der Klarinettistin Rebecca Trescher und der 17-köpfigen Formation um die Münchner Bandleaderin, Gitarristin und Komponistin Monika Roscher - zwei erfrischende, unkonventionelle Interpretationen des Big-Band-Formats. Kontemplativ fernöstlich grundierter Minimalismus bei Nik Bärtsch Mobile Extended, wobei Extended für die Integration eines Streichersextetts stand. Überaus ereignisreich, die vergangenen Tage, denkt man im Gehen - und ergänzt rasch noch im Geiste die Wunschliste für den nächsten runden Geburtstag um ein Streichorchester.