Kurz vorm Zuschnappen: Mathias Edenborn (Graf von Krolock) und Veronica Appeddu (Sarah). Foto: Stage Entertainment Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Stuttgart - „Wir glauben nur Lügen, verachten Verzicht“, singen die Vampire gleich am Anfang unheimlich aus der Nacht. Natürlich geht es in dem 20 Jahre alten Musical-Dauerbrenner ums klassische Vampirgeschäft, das Blutsaugen und Beißen - aber der Hunger nach Blut steht hier für die ganz allgemeine Gier des Menschen, die Songtexte von Michael Kunze klingen angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen hellsichtiger denn je. Nach der Premiere im Jahr 2000 und einer weiteren Spielzeit 2010 spuken die Flattermänner bereits zum dritten Mal durch eines der Möhringer Musicaltheater, das Rockmusical von Roman Polanski, Kunze und Komponist Jim Steinman scheint tatsächlich das ewige Leben zu besitzen.

Seit der Premiere in Wien läuft das Stück, unterbrochen von einer dreijährigen Pause, praktisch nahtlos irgendwo im deutschsprachigen Raum und hat um die 6000 Aufführungen hinter sich gebracht. Der Grund ist einfach: Die Mär vom geheimnisvollen Vampirgrafen und seinen schusseligen Jägern ist einfach das beste deutschsprachige Musical neueren Datums. Nicht nur wegen der grandiosen Rockmusik von Jim Steinman, auch wenn deren Pomp und symphonische Orchester-Opulenz hier in der klein besetzten Tourneeversion auf das absolute Minimum zurückgeschraubt wurden, nicht nur wegen der grandiosen Tanzszenen von Dennis Callahan, auch wenn sie durch die Reduktion des Ensembles nicht mehr so fetzig aussehen.

Früher subtil, heute grobkörniger

„Tanz der Vampire“ hat brillante Texte, die, weit entfernt von den Teenie-Liebeleien einer Stephenie Meyer, aus Roman Polanskis Filmdrehbuch eine Parabel auf den Narzissmus des modernen Menschen machen. Michael Kunze lässt den müden Vampirgrafen zwischen dem Weltschmerz eines Lord Byron und Nietzsches Nihilismus dahinphilosophieren, bis er sich auf dem Höhepunkt seiner großen Ballade zur Erkenntnis aufschwingt, dass „die wahre Macht, die uns regiert“, eine „schändliche, unendliche, verzehrende, zerstörende und ewig unstillbare Gier“ ist. Obendrein geht es um Verführbarkeit: Wo seine Horden einfach zubeißen, da lockt Graf Krolock, er umgarnt und überredet sein Opfer, bis das Mädchen mit seinen unbestimmten Sehnsüchten schließlich gebissen werden will. Die nunmehr dritte Stuttgarter Produktion, die zuvor in München zu sehen war, vereinfacht das Bühnenbild, dafür sehen die Projektionen aufwendiger aus. Roman Polanskis subtile Regie der Wiener Urproduktion ist in zwanzig Jahren des Umherziehens etwas grobkörniger und durchaus auch komischer geworden, aber mit Mathias Edenborn als souveränem Grafen, dem zarten Tom van der Ven als verliebtem Vampirjäger Alfred und Victor Petersen als zerstreutem Professor sind die Herren wieder ansprechend besetzt. Einzig Veronica Appeddu als verführte, geliebte Sarah klingt ein wenig nach schrillem Teenie-Popstar, was lange nicht so schmerzt wie der synthetische, verwaschene Klang, der den knackigen, klaren Rock von früher ersetzt. Umgekehrt proportional zur schwindenden Größe des Orchesters werden dafür die Eintrittspreise immer höher. Aber selbst das wird nichts ändern an der Begeisterung für das Stück und sein großartiges Finale. Natürlich ist es kein Happy End.

Die Vampire tanzen im Stage Palladium Theater täglich außer Montag. Karten unter www.stage-entertainment.de oder Tel. 01805-4444.