Tanz den Vivaldi: Vincenzo Capezzuto in der ausdrucksvollen Choreografie Mauro Bigonzettis. Foto: Giuseppe Porisini Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Ludwigsburg - Diese Mixgetränke sind einfach nichts für Puristen: Einmal Barock, geschüttelt und gerührt, gab es mit dem Ensemble Soqquadro Italiano bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, gut warm serviert in der überhitzten Reithalle der Karlskaserne. Fünf virtuose Musiker und ein tanzender Altist brachten Barockmusik in modernen Arrangements, gespielt auf alten und neuen Instrumenten. Bei all den exquisiten Arrangements schrammte der Abend zuweilen ein wenig am Kitsch entlang.

Vincenzo Capezzuto ist ein mit vielen Talenten gesegnetes Multitalent: Der renommierte Altist war in seiner früheren Karriere Balletttänzer, und ganz bestimmt kein schlechter. Vor drei Jahren gastierte er mit Christina Pluhars L’Arpeggiata-Ensemble im Ludwigsburger Ordenssaal, jetzt kam er mit seinem eigenen Ensemble, dessen charmanter Name in etwa „Italienisches Durcheinander“ bedeutet. Das alte Erbe neu interpretieren, um es einem Publikum von heute nahe zu bringen, die Epochen, Genres und Instrumente durchmischen: Darin sieht Soqquadro Italiano seine Lebensaufgabe; es ist die Art von grenzüberschreitender Fusion, die Festspielchef Thomas Wördehoff so gerne hat. Und sie wurde von zahlreichen Landsleuten der Italiener bejubelt.

Optisch inspiriert wurde der Abend, der Arien aus Antonio Vivaldis „Stabat mater“ mit Konzertsätzen des Komponisten und Renaissance-Gesängen kombinierte, von einem Gemälde des Frührenaissance-Malers Masaccio, einer Kreuzigung in den Farben Gold, Rot und Blau. Im blauen Gehrock tanzte Capezzuto vor einem hohen goldenen Vorhang, zog eine lange, blutrote Schleppe hinter sich her und rieb sich immer wieder blutrote Tücher über den Körper. Mauro Bigonzetti, in dessen Aterballetto der Sänger einst tanzte, hat ihm ausdrucksvolle Tanzszenen auf den Leib choreografiert, weit ausholend und dramatisch, dann aber wieder minimalistisch und ganz auf die expressive Bildwirkung bedacht. Die Altstimme des Sängers klingt ungewöhnlich hell und klar, fast wie ein lyrischer Sopran; er sang mit Kopfmikrofon, die elektronische Aussteuerung erlaubte gegen Ende auch kleine Echo-Effekte. In die Barock-basierten und doch exotischen Arrangements klangen immer wieder rätselhafte Instrumente hinein, die man hier gewiss nicht vermutet hätte: der klimpernd-helle Sound eines Kinderklaviers, eine schnarrende Mundtrommel über sinnlicher Marimba-Grundlage, die Melodica zur Laute und zum gezupften Bass, obendrauf noch ein Vogelzwitschern vom Percussionisten. Vom Synthesizer, der von der anderen Seite der Bühne elektronische Impulse und Rauschen beisteuerte, kam auch mal eine große, romantische Streicherbesetzung als Kontrast zu den Barockinstrumenten. Faszinierend, wie diese Virtuosen Vivaldi einen sanften Beat unterlegten, wie sie ihn in Folk, Zigeunermusik, Klezmer-Rock und die ganze Palette vom traditionellen Jazz bis zum Free Jazz umfärbten, in eine ganze Landschaft von Klängen. Die geriet zuweilen auch in die Nähe zur Filmmusik, bevor sie auf dem leisen Wort „amore“ im tiefen Dunkel erlosch, ein schöner Schluss. Da hätte es die flotte Zugabe, komponiert vom Percussionisten Gabriele Miracle, vielleicht doch nicht mehr gebraucht.