Gefühlvolle Harmonie: „Walking on Cars“ verzaubern ihr überwiegend junges und weibliches Publikum mit sanften Sounds. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Von Ingo Weiß

Stuttgart - Dingle Island ist eine Halbinsel im Südwesten Irlands, ein herrliches Fleckchen Erde mit traumhaften Stränden und malerischen Landschaften. Dingle selbst, der 2000-Seelen-Hauptort, ist ein pittoreskes Kleinod voller bunter Häuser, mit einem kleinen Hafen und weltbekannt geworden durch seinen Delfin Fungie. Das ist die Gegend, aus der Walking on Cars stammen, und wer ihre Heimat kennt versteht, warum die Band wunderschöne Popmusik hervorbringt. Verewigt ist diese auf dem Debütalbum „Everything this way“, das es in Deutschland schnell in die Charts schaffte. Die zwölf Songs schrieben die fünf Freunde in idyllischer Abgeschiedenheit, heraus kamen kleine Kurz-Geschichten aus einer scheinbar heilen Welt.

Songs ecken nirgendwo an

Mehr als das Album haben Walking on Cars allerdings noch nicht produziert, weshalb das Konzert im ausverkauften Stuttgarter Wizemann ein sehr, sehr kurzes ist. Zudem streicht Sänger Patrick Sheehy zwei Songs, weil seine Stimme leicht angeschlagen ist. Dennoch ist das Konzert geschmackvoll und eines der sanfteren Gangart. Der Sound erinnert an Snow Patrol, R.E.M. und Coldplay, allerdings fehlt ihm im Wizemann der konzertante Druck, die Fülle: einer der seltenen Fälle, bei denen die Live-Darbietung weniger überzeugt als das Studioprodukt, das in seinem Klangspektrum phasenweise mitreißend ist.

Die Mischung aus Folk, Pop und ein wenig Rock kommt trotzdem gut an bei den Fans. Mit ihren melancholisch-melodischen, eingängigen Songs verzaubern Sheehy, Keyboarderin Sorcha Durham, Gitarrist Dan Devane, der auf der Bühne seinen Geburtstag feiert, Bassist Paul Flannery und Drummer Evan Hadnett insbesondere das weibliche Publikum, das eindeutig in der Mehrheit ist. Die leicht hymnischen Stücke sind ansprechend und ecken nirgendwo an. Allerdings sind sie in ihrer Machart nicht ausgefallen genug, wiederholen sich stellenweise, und teilweise driften sie sogar ins Banale ab. Wirklich frische und neue Impulse liefern die Iren auf der Bühne nur bedingt. Es ist das scheinbar Unscheinbare, das musikalisch durchaus Vorhersehbare, das Vertraute, mit dem das Quintett einen Nerv überwiegend bei der Jugend trifft.

Das Konzert beginnen Walking on Cars im zuckenden Scheinwerferlicht mit dem leisen „Tick Tock“, das die Fans noch nicht aus der Reserve lockt. Aber bereits mit dem mit Tempi-Wechseln versehenen „Two Stones“ haben sie das Publikum hinter sich. Das wogt auch bei „Don’t mind me“ hin und her und tanzt versunken zur Ballade „Love backs down“.

Betörendes Flattern

Noch traurigere Töne bietet „Flying high falling low“, das den gefühlvollen Harmoniegesang besonders zur Geltung bringt. Selbst „Catch me if you can“, das mit seinem fröhlichen Refrain sofort ins Ohr geht, beginnt mit einem melancholischen Keyboard-Intro. Es ist der beste Song des Abends. Dass Walking on Cars eingespielt sind - sie gründeten die Band schließlich 2010 -, hört man. Einsätze und Chöre sitzen. Über die von Coldplay vertrauten Keyboard-Motive legt Dan Devane einfache, aber flirrende Gitarrenlinien. Allerdings wiederholt er diese im Laufe des Abends immer wieder, so dass sie sich irgendwann abnutzen. Sheehy, der filigrane Mann mit der Schiebermütze, schmeichelt, verführt die Fans dafür mit seiner Stimme. Sie hat, während er auf der akustischen Gitarre den Rhythmus schlägt, ein betörendes Flattern. Man kann sich an ihr regelrecht wärmen. An der Live-Präsenz, die recht statisch wirkt, sollte die Band noch arbeiten.

„Coming my Way“, die erste Zugabe, ist der emotionale Höhepunkt. Sheehy trägt die wunderschöne Ballade solo am Keyboard und im Halbdunkel vor, für einen kurzen Moment ist er ganz bei sich. Nach dem eher belanglosen „As we fly South“ beenden Walking on Cars mit „Speeding Cars“ den Auftritt. Bei ihrem großen Hit, den die Band im Mittelteil richtig rockig zelebriert, klatscht der Saal begeistert mit, und der „Heja Heja“-Chor will gar nicht stoppen.

Nach etwas mehr als 60 Minuten verklingt der letzte Ton eines schönen Abends mit einer guten Band. Walking on Cars stehen erst am Anfang und haben durchaus Potenzial. Dingle Islands bietet noch genügend kreative und vor allem raue Ecken, in denen herrliche Songs erschaffen werden können.