Liebe kommt und geht: Sabine Christiane Dotzer als Esthi, Timo Beyerling als Sumchi. Foto: Andreas Zauner Quelle: Unbekannt

Von Petra Bail

Esslingen - Sumchi ist elf. Er hat zwei Träume. Der eine handelt von Esthi, seiner Klassenkameradin, in die er hoffnungslos verknallt ist. Der andere von abenteuerlichen Reisen ins Fantasieland Ubangi-Schari. Wie diese beiden Pole verknüpft werden, davon handelt der erste Jugendroman des israelischen Erzählers Amos Oz aus dem Jahr 1978. Nun hat Marco Süß, Leiter der Jungen WLB an der Esslinger Landesbühne, die märchenhafte Geschichte gemeinsam mit Dramaturg Marcus Grube für die Bühne bearbeitet. „Sumchi“, so der Titel des Stücks, spielt im Jahr 1947 in Jerusalem, ist für Menschen ab zehn und hatte im Studio am Blarerplatz Premiere.

Liebe macht unsterblich. Wer verliebt ist, puffert alles ab: Hänseleien, Spott, Verluste, ja sogar Schläge. Das erlebt Sumchi, der etwas unbeholfene Adoleszent, der sich im labilen Niemandsland zwischen Kindheit und Erwachsenwerden befindet. Er ist so eine Art Hans-Guck-in-die Luft, der sich durch kleine Ungeschicklichkeiten immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Aber, was macht das schon? Er liebt ja Esthi. Heimlich! Natürlich gesteht er ihr das nicht. Wäre ja peinlich. Vielmehr drückt er seine Gefühle aus, indem er sie piesackt.

Auf der Bühne balgen sich Timo Beyerling und Sabine Christiane Dotzer possierlich, wie junge Hunde. Aber das ist wenig zielführend. Da kommt Sumchi der Zufall zu Hilfe, eine Tauschaktion, die letztlich zum Erfolg führt. Von seinem zwielichtigen Onkel Zemach bekommt er ein Fahrrad geschenkt. „Leider ohne Stange. Also ein Mädchenrad“, erklärt Beyerling, der auch als Erzähler auf der Bühne die Geschichte vorantreibt.

Das Rad lässt sich Sumchi abluchsen und bekommt dafür eine Eisenbahn, die tauscht er gegen einen Hund, der ihm schließlich wegläuft. „So ist das Leben“, stellt er nüchtern fest und findet einen Spitzer. Nicht ganz neu. „Ich ging nach Hause, aber nicht mit leeren Händen.“ Von seiner Mutter bezieht er Dresche, weil er zu spät kommt. Er läuft weg, will über den Himalaya nach Afrika mit nichts außer dem Spitzer, den er sich von keiner Macht der Welt nehmen lassen wird. Man ahnt es. Am Ende hat Esthi den Spitzer, aber er bekommt dafür seine erste große Liebe, die ihm gesteht: „Ich liebe dich auch nicht.“ Nach sechs Wochen ist Schluss. Warum? Weiß keiner. Spielt auch keine Rolle. Es ist der Kreislauf des Lebens: Liebe kommt. Liebe geht. „Alles wechselt“, wie Sumchi am Ende erkennt. Tröstlich. Die Geschichte ist anrührend und voller Poesie. Allein in der Inszenierung fehlt der Anknüpfungspunkt ans Zeitalter der Digitalen Revolution. Die Produktion gibt sich in der musikalischen Untermalung romantisch verklärt. Zu viel Zuckerguss, der das Stück ziemlich verkitscht. So, denkt man beim Zuschauen, stellen sich Erwachsene das erste Anbandeln vor. Vielleicht vor 70 Jahren. Soll die Zielgruppe das Stück cool finden, hätte Süß darauf Rücksicht nehmen müssen. Überhaupt ist es problematisch, wenn Erwachsene Kinder darstellen. Da wird leicht unfreiwilliger Slapstick draus. Wie bei Dotzer, die in zu großen Puschen albern herumstolpern muss. Wie sie die Augen verdreht, wenn Beyerling ihr unbeholfen seine nichtvorhandende Liebe beteuert, ist allerdings entzückend. Das weitere Personal wird von Daniel Elias Böhm dargestellt.

Ausstatterin Nina Hofmann hat mit ihrem Bühnenbild den Handlungsort Jerusalem geschickt in den Fokus gerückt. Acht unterschiedliche Durchgänge symbolisieren die acht Altstadt-Tore von Jerusalem, durch die seit Jahrtausenden Menschen gehen und die, multifunktional, auch Sumchis Lebenswege in der Stadt zeigen.

Die politischen Bezüge, die Amos Oz hat in seinem Roman anklingen lässt, der im Jahr vor der Staatsgründung des Israels spielt und das zu der Zeit unter britischer Verwaltung stand, sind so verwirrend verknappt, dass kein Zehnjähriger ohne weitere Erklärung etwas damit anfangen kann. Wenn’s ihn denn überhaupt interessiert.

Weitere Vorstellungen am 2. und 16. Oktober.