Intendant Manfred Langner setzt auf den Akkord von Zeitkritik und Unterhaltung. Die Publikumsgunst gibt ihm Recht. Foto: Max Kovalenko Quelle: Unbekannt

Von Martin Mezger

Stuttgart - Erfolgsmeldungen gehören beim Alten Schauspielhaus und der Komödie im Marquardt, die gemeinsam als Schauspielbühnen Stuttgart firmieren, zur Tradition. Mit insgesamt rund 200 000 Zuschauern und 12 000 Abonnenten bleibt die aktuelle Saison laut Intendant Manfred Langner auf jenem „stabilen Niveau“, das seinen Häusern seit langen Jahren den Spitzenplatz in der regionalen Besuchergunst sichert - und einen vorderen Rang unter den Top Ten des gesamten deutschen Sprechtheaters. Doch ist die Devise „Never change a winning team“ ist beim Trägerverein der Schauspielbühnen kein ehernes Gesetz. Als der Vorstand im vergangenen Herbst Veränderungswünsche signalisierte, verzichtete der inzwischen 59-jährige Langner auf eine Verlängerung seines im Sommer 2019 endenden Vertrags. Dem Vernehmen nach geht es dem Vorstand nicht um eine ästhetische Neuausrichtung der beiden Traditionsbühnen, sondern schlicht um ein neues Intendantengesicht nach zehn Langner-Jahren. Mehr war gestern bei der Vorstellung der neuen Spielzeit 2017/18 zu diesem Thema nicht zu erfahren.

Reformation und Rollenwechsel

In seiner vorletzten Saison setzt Langner im Alten Schauspielhaus auf den bewährten Akkord aus Zeitkritik, Klassik und Unterhaltung. Mit Dieter Fortes Stück „Martin Luther & Thomas Münzer“ von 1970 - einst viel gespielt, jetzt aus der Versenkung geholt - zollt man dem 500-jährigen Reformationsjubiläum Tribut: nicht mit einer Devotionalie, sondern einem Theatertext, der „mit beiden Hauptfiguren hart ins Gericht geht“, sagt der regieführende Intendant. Ayad Akhtars „Geächtet“, 2012 ein Broadway-Erfolg, 2016 in Deutschland zum „Stück des Jahres“ gewählt, kehrt die Rollen in der Debatte um Islamismus und Integration um: Ein New Yorker Anwalt pakistanischer Abstammung, perfekt assimiliert und äußerst islamkritisch, wird von seiner mit der islamischen Kultur sympathisierenden Kreativ-Gattin zur Verteidigung eines angeklagten Imam gedrängt - mit fatalen Folgen. Von einer Polarisierung der Gesellschaft handelt auch der Musical-Klassiker „Cabaret“, der im turbulenten Berlin unmittelbar vor der Machtergreifung der Nazis spielt - für Regisseur Ulf Dietrich eines der aktuellsten aller Musicals.

Als Shakespeares mörderischer Richard III. gastiert Kinostar Max Tidof, einer der größten Filmlegenden aller Zeiten widmen Langner und Dietrich ihr eigenes neues Stück „Bye bye, Baby“: Es schildert die letzten 24 Stunden im Leben der Diva samt einer laut Langner exakt recherchierten Hypothese zu ihrem mysteriösen Tod. Alistair Beatons Umwelt-Drama „Fracking“ und John von Düffels Dramatisierung von Thomas Manns Goethe-Roman „Lotte in Weimar“ komplettieren den Spielplan.

In der Komödie im Marquardt gibt es die Verwechslungsklamotte „Das Geheimnis der drei Tenöre“ und eine schwäbische Version des Schenkelklatscher-Klassikers „Charleys Tante“, letzterer inszeniert vom ehemaligen Stuttgarter Rampe-Ko-Intendanten Stephan Bruckmeier, als gebürtiger Wiener bereits zum dritten Mal mit Schwäbischem an der Komödie zugange. Er will einen Spagat wagen von der großbürgerlichen Moralkarikatur des 1892 uraufgeführten Originals zur islamischen Sittenstrenge in einer modernen Multikulti-Großstadt: Die Herzensdamen Charleys und seines Kumpels stammen aus einer arabischen Familie. Umgekehrt auf dem Zeitstrahl lässt Tobias Goldfarb in „Ein Strumpfband seiner Liebeslust“ den Kommissar Holzapfel - bekannt aus Goldfarbs Komödie-Erfolg „Sherlock Holmes und die Kehrwoche des Todes“ - im Stuttgart des Königs Wilhelm II. ermitteln. Im Musical „Höchste Zeit!“ schließlich wirbeln allerlei umtextierte Pop- und Schlagerhits um ein unvermeidliches Thema: vier Frauen im Hochzeitsrausch.

Abos unter Tel. 0711/22 77 00

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Die Premieren im Überblick

Altes Schauspielhaus

Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung von Dieter Forte. Regie: Manfred Langner. Premiere am 15. September 2017.

Geächtet von Ayad Akhtar. Premiere am 27. Oktober 2017.

Cabaret. Musical von John Kander, Joe Masteroff und Fred Ebb. Regie: Ulf Dietrich. Choreografie: Andrea Heil. Musikalische Leitung: Andrew Hannan. Premiere am 8. Dezember 2017.

Richard III. von William Shakespeare. Regie: Manfred Langner. Premiere am 2. Februar 2018.

Fracking von Alistair Beaton. Regie: François Camus. Premiere am 16. März 2018.

Lotte in Weimar (Werther Revisited) von John von Düffel nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann. Uraufführung am 27. April 2018.

Bye bye, Baby von Ulf Dietrich und Manfred Langner. Regie: Ulf Dietrich. Premiere am 8. Juni 2018.

Komödie im Marquardt

Das Geheimnis der drei Tenöre von Ken Ludwig. Regie: Ulf Dietrich. Premiere am 22. September 2017.

’em Charley sei Tante. Nach der Komödie von Brandon Thomas in einer schwäbischen Fassung von Monika Hirschle. Regie: Stephan Bruckmeier. Premiere am 24. November 2017.

Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren. Für Kinder ab fünf Jahren. Regie: Christian Sunkel-Zellmer. Premiere am 30. November 2017.

Honig im Kopf von Florian Battermann nach dem Film von Hilly Martinek und Til Schweiger. Regie: Frank Lorenz Engel. Uraufführung am 26. Januar 2018.

Ein Strumpfband seiner Liebeslust von Tobias Goldfarb. Regie: Goldfarb & Goldfarb. Premiere am 23. März 2018.

Höchste Zeit! Musical von Tilmann von Blomberg, Carsten Gerlitz und Katja Wolff. Regie: Katja Wolff. Premiere am 18. Mai 2018.