Von Dietholf Zerweck

Ludwigsburg - Außer zwei „Quotenschwaben“ - Bandleader Markus Geiselhart, geboren in Fellbach-Schmiden, und Trompeter Tobis Reisacher aus Göppingen - kommt einer aus Hessen, die übrigen aus Österreich, aber keiner aus Wien. Dort haben sich aber die meisten Musiker des 16-köpfigen Markus Geiselhart Orchestra (MGO) kennengelernt, dort ist Geiselhart in der Jazzszene zuhause.

Gaststar beim Ludwigsburger Festspielauftritt war allerdings der amerikanische Posaunist Ray Anderson, der sich mit Solisten aus der Geiselhart-Combo aufregende musikalische Duelle lieferte. Er gilt derzeit als einer der stilprägenden Jazzgrößen auf seinem Instrument. Wie er beim ersten Stück über der geballten Power des MGO trötet, grölt, jubiliert mit angespitzten Tönen und hoch gespannten Kantilenen, machte gleich Lust auf mehr. Der Posaunist bricht die knalligen Tutti der Bigband auf, profiliert sich zusammen mit der aus Martin Koller (Gitarre), Stefan Thaler (Kontrabass) und Thomas Käfel (Schlagzeug) bestehenden Rhythmusgruppe als witziger Improvisator. Und auch als Sänger, der in seinem „Monkey Talk“ im Dialog mit dem Baritonsaxophonisten Herwig Gradischnig eine irre komische Growl- und Slapsticknummer vokalisiert.

Bei seinem Ludwigsburger Festspiel-Auftritt im vergangenen Jahr hatte Geiselhart vor allem mit ausgefeilten Arrangements fasziniert. Diesmal stammten die meisten Stücke von ihm selbst: launig anmoderiert, wie zum Beispiel „Kinder vorm Fenster“ aus der Würzburger Zeit in einer Jazzer-WG mit Kindergartenlärm in schlaftrunkenen Studentenohren, was vom Posaunisten Alois Eberl in Schnarchlaute und brabbelnde Energie umgesetzt wurde, während sich Anderson dem Holzhacker-Sound der Band mit träumerischer Eloquenz entgegenstemmte.

Freilich kamen die Einsätze der fünf Saxophone, vier Trompeten und drei Posaunen plus Basstuba in manchen der Stücke zwar fetzig pointiert, aber auch stereotyp, so dass man sich als Zuhörer auf die breit angelegten Soli und Duette mit Rhythmusbegleitung freute. Hier brillierten Trompeter Mario Rom in „The Spirit of Don Ellis“, die Altsaxophonisten Romed Hopfgartner (in dem ansonsten als Alpen-Rock dröhnenden „The Script“ von Martin Koller) und Clemens Salesny (in „Airport St. Petersburg“). Der Trompeter Florian Sperzel hatte ein originelles Solo in Andersons Blues-Song „Microwave Woman“. Während sich Kollers „Brainwash“ in diffusen Klangnebelexperimenten verlor, hatte Andersons „Being the Point“ mit seinen wie Trompetenstöße artikulierten Silben und virtuosen Posaunenskalen dadaistischen Tiefsinn: „Being - is - the - point!“ skandierte der Amerikaner ein ums andere Mal.

Auf den Punkt gebracht wurde der in seinen Metren reizvoll variable, hitzig pulsierende und improvisatorisch experimentierfreudige Jazz des Markus Geiselhart Orchestra in den „Crazy Concepts from Vienna“. Doch gegenüber den berserkerhaften Unisono-Attacken der Holz- und Blechbläser-Sektionen, die im Vergleich zu den farbigeren Klangräumen überwogen, war Ray Andersons Zugabe mit Stefan Thaler am E-Bass („Just a short idea“) geradezu eine balladeske Erholung.